Winterpapageien

Es gibt Beiträge in der Presse, die sich alljährlich mit schöner Regelmässigkeit saisonal wiederholen. Eines der sehr beliebten Spätherbstthemen ist die Winterfütterung der Wildvögel. Das Thema wird sowohl in der Tagespresse als auch in Fachzeitschriften jeden Vorwinter kontrovers und seitenfüllend publiziert. Das Fazit für die Leserin ist stets dasselbe. Es gibt 2 Fraktionen von Vogelfreunden – die Fundi Ornithologen, die jedwelche Zufütterung als nicht wünschenswert erachten und auf die Gefahren dieser gutgemeinten Geste hinweisen. Andererseits sind da moderate Kenner der Szene, die dieser Fütterung in gewissen Bereichen auch positive Aspekte attestieren.
Sicher sind bei der Wildvogelfütterung einige Grundregeln und Vorgehensweisen einzuhalten, wenn es den Gefiederten das Winterleben erleichtern und unser Herz für die Vögel höher schlagen lassen soll. Wenn der Winter dann kommt und mit ihm die hungrigen fliegenden Kleinstmägen, ist es jedenfalls ein sehr unterhaltsames, spannendes und abwechslungsreiches TV Programm, das sich beim Morgenessen oder anlässlich des Apéros durch das grosse Fenster zum Garten live und ohne Lizenzgebühr mitverfolgen lässt. Nach einiger Zeit lassen sich artbedingte Gewohnheiten, individuelle Vorlieben und ganz allgemeine Vogelregeln beobachten. Auch Wetterlage und Futterangebot verändern Verhalten und Besucherfrequenz. Da ist zum einen „Heinz“ der Specht; er kommt in rasantem Fluge zum gedeckten Tisch, klaubt sich Sonnenblumenkern um Sonnenblumenkern, um jeden der Samen in ein Loch des nebenstehenden Holzpfostens zu stecken, wo er sie dann aufmeisselt und den Inhalt verspeist. Frau Specht labt sich lieber an den geschälten Kernen und füllt sich ihren Magen so mit deutlich weniger Energieaufwand. Ritzen, Spalten und Löcher in Gehölzen werden übrigens von nahezu allen Spechten zum festklemmen und aufhämmern von Nüssen und anderen „verpackten“ Nahrungsträgern verwendet – sie werden „Spechtenschmiede“ genannt.
Fast alle Meisenarten holen sich an der Futterstelle ein Körnchen und flattern damit blitzschnell in Deckung, um es dort eingermassen geschützt verspeisen zu können. So hat sich herausgestellt, dass die stattliche und vielastige, dicht benadelte Föhre neben der Futterstelle ein Glücksfall ist. Blau-, Kohl- und Tannenmeisen tummeln sich darin zu Dutzenden und verlassen die Deckung nur ganz kurz, um Nachschub zu holen. Der Baum wird jedenfalls bestens gedüngt ins kommende Frühjahr starten.
Da gibt es aber auch Drosseln und Finken, die sitzen ganz behäbig am vollen Teller und schlagen sich minutenlang die Bäuche voll, ohne anderen Hungerschnäbeln Platz zu machen. Die Kleiber (Spechtmeisen) wiederum kommen geflogen, picken zu und verschwinden an weiter entfernte Fressplätze – manchmal erscheinen sie in so kurzer Kadenz , dass man den Verdacht hegen könnte, sie legten irgendwo ein Nahrungsdepot an. Die Buchfinke (es wurde in diesem Blog schon einmal über sie geschrieben) trippeln oftmals am Boden herum und essen, was in der Hektik und im Futterstreit zu Boden fällt. Vielleicht typisch für ihn – einfaches Gemüt – anspruchslos – wenig Konkurrenz bei der Futtersuche am Boden ….vielleicht einer der Gründe für den Erfolg seiner Art. Der Buchfink ist der häufigste Vogel Europas.
Doch später im Winter gesellt sich ein weiterer Körnerfresser aus der Finkenfamilie dazu – erscheint in immer grösserer Zahl an der Futterstelle und wertet das TV Programm mit seiner kontrastreichen Zeichnung und zu dieser Jahreszeit ungewohnter Farbenpracht auf: Herr und Frau Gimpel lassen sich beim Sonnenblumenkernenangebot nieder und schälen Samen um Samen gleich am Futterbrett auf. Die Männchen mit ihrer schwarzen Kappe, dem roten Brustgefieder, (die Weibchen blassrosa), den weissen Streifen und dem grossen Schnabel lassen mit ihrem Auftritt in der Winterlandschaft an Papageien denken…..
In Bälde werden die Vögel ihren Futterbedarf wieder mit „Wildsammlung“ decken. An der hiesigen „künstlichen“ Futterstelle wurden keine der oftgenannten negativen Folgen der Winterfütterung wahrgenommen.

Zurückgeschaut 8

GEWESEN: In der Hauptstadt, einmal mehr. Beziehungsweise nah dran, nämlich hier.
GESCHENKT: Eigentlich am liebsten Bücher, zum Beispiel für den grossen Mann „Apeirogon“, für einen der kleineren jenes über die Expedition Polarstern. Drauf gekommen bin ich beim Hören eines spannendes Podcasts mit der Mitteilnehmerin der Expedition und Autorin des Buches, Katharina Weiss-Tuider. Ein Jugendbuch, das auch ich lesen werde.
GEÄRGERT: Über einen mehr als unfreundlichen DHL-Chauffeur, der das Paket mit dem schönen Leinen im Dorf in einer Bäckerei abgeben wollte, ich könne es ja dort holen, was so etwa 4-5 km weit weg wäre. Nachdem ich diesen Vorschlag ablehnte, musste ich ihn telefonisch lotsen, er unter Fluchen, ich ruhig bleibend. Irgendwann meinte er, jetzt gehe ihm bzw. dem Fahrzeug der Diesel aus, was definitiv er versäumt hat. Irgendwann drückte er das Paket einer Nachbarin in die Hand, verschwand ohne Gruss und ohne Dank. Ja, ich hab mich beschwert. Nützen wird es kaum.
Und über den Fehler im Mohair-Pulli-Ärmel. Uff, versuch mal, Mohair aufzutrennen, dazu noch mit Ab- oder Zunahmen dazwischen. Zurück auf Feld eins.
GEKAUFT: Eben den schönen Bio-Leinen, fadengefärbt. Es musste noch eine zweite Japanschürze her, anderes Modell, Schnittmuster selbst gemacht.
GEMERKT: Verstehen geht bei mir über die konkrete Anwendung. Ich weiss nicht, ob die Anleitungen gelegentlich von Robotern geschrieben werden, für mich bleiben sie sehr oft abstrakt, nicht nachvollziehbar. Überlegen, ausprobieren, machen klappt besser.
GEBACKEN: Kürbisbrötchen aus diesem Buch. Optisch schön, geschmacklich erinnern sie an Zopfgebäcke.
GERÄUMT: Die Unterlagen aller Kursangebote. Eine Begegnung mit einer vergangenen (guten) Zeit. Ich fand Namen und Notizen, zu denen ich nichts abrufen konnte. Und umgekehrt. Befreiend und emotional aufwühlend. Ein Stück Leben. Die vielen Arbeitsbücher erleichtern vielleicht der einen oder dem anderen den Schreiballtag.
GETRÄUMT: Wirklich: ich träumte, C sei endgültig vorbei. Im Traum lebte ich irgendwo in einem Blockhaus, betrieb mit anderen Frauen ein Café und hatte einen Uraltcomputer der ersten Generation, auf dem die Menschen ihre abschliessenden Testresultate erfragten. Hoffentlich ein wegweisender Traum…
GEHÖRT: EInen interessanten Vortrag über Psychoneuroimmunologie mit Prof. Dr. Dr. Christian Schubert. Schubert zeigt z.b. den Einfluss von Angst, Traumata, sozialen Einflüssen etc. auf unser Immunsystem. In seinem neuen Buch plädiert er für eine neue, andere Medizin. Menschlich, engagiert und mutig.
GEGESSEN: vom selbstgetriebenen Chicoree… und er wächst und wächst.

Zurückgeschaut 7

Ein weiteres Jahr ist in wenigen Stunden Vergangenheit. Zeit also, nochmals kurz zurückzublicken und allen Leser*innen einen guten Übergang, Lebensfreude, Mut und Klarheit zu wünschen. Möge uns allen das neue Jahr wohlgesonnen sein…


GEHÖRT: Verschiedenste Podcasts – eine geniale Erfindung – ich mag diese Infogefässe sehr, meist begleiten sie kreativ-handwerkliches Tun oder die eine oder andere weniger geliebte Haustätigkeit. Vom Inhalt her hat mich ein youtube-Vortrag beeindruckt: Prof. Dr. Joachim Bauer spricht über das von ihm erforschte Empathie-Gen. Zentrale Punkte sind die in uns angelegte Güte und Menschlichkeit – so sie denn „aufleben“ dürfen. In seinen Studien und im eben erschienenen Buch legt Prof. Bauer dar, dass der Mensch kein von Gier und Egoismus getriebenes Wesen ist – vorausgesetzt ist die Grund“nährung“ des Menschleins… absolut hörenswert!
Die Musik diesmal von Enzo Avitabile, Soul- und Weltmusiker aus Neapel, singt meistens im neapolitanischen Dialekt, oft mit anderen Musikern zusammen. Gefällt. Sehr. Seine Texte sind sozialkritisch, betreffen nicht nur „Napule“ und sind verpackt in gute Musik.
GEFREUT: Oft. Beispiele gefällig? Zwei Einladungen vor den Festtagen, an denen das ungute omnipräsente Thema während eines ganzen Abends inexistent war und auch kein Impfstatus-Diskurs stattfand. Ähnlich die Weihnachtsfeier im Familienkontext, friedlich und unkompliziert. Weiter freut(e) mich ein Freiwilligeneinsatz auf Augenhöhe, die (leider vergangene) vorweihnachtliche Schneestimmung u.v.m.
GENÄHT: eine japanische Kreuzschürze aus dunkelgrauem Bio-Leinen. Viel Flow, viel gelernt, ich Nähanfängerin. Küchentischpsychologisch: Handarbeitstrauma aus der Schulzeit aufarbeiten und verorten. Tztztz: die Lehrerin liess uns 13-Jährige Babyjäckchen stricken oder einen Pfulmen mit handgemachten sprich schwarzgeschwitzten Knopflöchern sticheln. Wie bin ich froh, dass meine Enkel einen Hoodie in Wunschfarbe oder eine Laptophülle machen können.
GELESEN: Kwame Anthony Appiah, Philosophie-Professor an der New York University, analysiert am Beispiel von Ghana, Nigeria und Namibia:
“Die andere Seite des Virus”.
GENOMMEN: B12, neben den anderen Vitaminen und gestaunt, was sich da ganz neu anfühlen kann…
GETRÄUMT: Von Efeu. Die positiven Zuschreibungen auf einschlägigen Seiten sind ja nett (Zuneigung, Unsterblichkeit, Wiedergeburt…) doch für mich war die Sehklarheit beeindruckender. Ok. – einer wächst mir ja fast ins Haus…und taggeträumt von einer Reise im Frühjahr…
GESEHEN: Etwa zehn verschiedene Vögel an den diversen Futterstellen. Einmal drei Buntspechte miteinander, dann einen schwarzen alleine. Der ornithologische bewanderte Mitmensch hat neben den Sämereien und Nüssen sogar Mehlwürmer besorgt. Die Zaunkönigin soll sie mögen. Vom Eichelhäher hätte ich gerne eine blaue Feder. Vögel beobachten ist Herznahrung.
Cinema ist im Moment fast ausschliesslich Homekino, sprich Beamer und Molton. Wir sahen von Gianni Amelio „l’intrepido“ – eine Art italienisches Märchen.
GEGESSEN: u.a. Agrumen von hier, Timilia-Spaghetti von hier
GEBACKEN: den ersten Panettone. Optisch und geschmacklich top. Bei der Fluffligkeit besteht noch Luft nach oben.
GEBLÄTTERT: in den neuen Samenkatalogen von Zollinger und sativa.
GEÄRGERT: Wenn ein unter dem Label „nachhaltig“ geführter Shop völlig selbstverständlich/unkritisch Thermoskannen aus China anbietet. Echt jetzt. Wie sagte doch der scheidende Dählhölzli-Leiter Bernd Schildger (er versteckt sich hinter dem Beitragsbild) kürzlich in einem Interview: „nachhaltig“ ist ein Plastikwort.

Zurückgeschaut 6

GEFREUT: Über das Licht an den schönen Herbsttagen; über jeden Tag an dem der Nebel nicht bis zu uns wabbert; über den gleichen Nebel, wenn er wattebauschig in Tälern und Mulden hängt und über das Lärchengold unter dem Blauhimmel.
GEWESEN: In der ewigen Stadt. Es sei dem Maler Klee gleich getan: das Licht ist anders, lässt Ocker, Terracotta, Sand, Maisgelb oder Siena strahlen. Der Ausblick über die Stadt vom Monte Gianciolo aus ist einmalig, zuvor der Spaziergang durch Trastevere, Besuch der Kirche Santa Maria di Trastevere. Hauptmotiv für die Besuche der diversen Marienkirchen ist die Bewunderung und Freude an den Mosaiken. Santa Prassede war vor gut 25 Jahren schon mal Ziel, der Besuch dort diente vorallem der Überprüfung meiner Erinnerung. Und tatsächlich kann frau mit einem Euro den Sternenhimmel und die Mosaikarbeiten illuminieren. Herrlich!
Das MAXXI zeigt bis im Februar 22 Amazônia” von Sebastião Salgado. Seine grossformatigen SW-Bilder aus dem Amazonas-Gebiet zeigen Flüsse, Regenwald und Wetterphänomene. Die Bilder hängen grösstenteils in den Räumen, dazu ist Musik von Jean-Michel Jarre zu hören. Die Bilder/der transportierte Bildinhalt zusammen mit dieser Musik in den dunklen Räumen trägt die Schauenden (mich zumindest) irgendwo zwischen diese Bäume, Pflanzen und das Fliesswasser. Integriert sind Infopavillons in denen Salgado und seine Frau verschiedene Gruppen von Ureinwohner*innen Amazoniens vorstellen. Vertreter*innen dieser Gruppen wenden sich in Kurzfilmen an die Welt um aufzuzeigen, was Bolsonaro durch sein rücksichtsloses Vorgehen anrichtet. An den Wänden sind Porträts und Szenen aus dem Alltagsleben zu sehen, nah und unmittelbar, berührend. Manchmal so nah, dass der Blick der Menschen direkt ins Herz geht…
GEFAHREN: Mit dem Hochgeschwindigkeitszug „Frecciarossa“. In gut drei Stunden von Mailand nach Rom, keine Flugscham, pünktlich, sauber, guter Service. Klingt grad wie ein Werbespruch. Wer öfters in der Schweiz im Zug unterwegs ist, hat mitbekommen, dass hier Pannen zu- und Sauberkeit abgenommen haben. Durch häufige Verspätungen mit gleichzeitig knapper Umsteigezeit werden Reisen immer mal wieder zu langfädigen Ausharrübungen. Wobei der öV in Italien auf den Paradestrecken top ist, die Anbindung kleinerer Orte jedoch weist gravierende Mängel auf. Da wird Rollmaterial aus den Fünfzigerjahren (schätze ich jetzt mal) eingesetzt, Menschen mit einer Beeinträchtigung schaffen es kaum, die hohen Tritte beim Einstieg zu erklimmen. Etwa gleich ärgerlich bzw. unmöglich kann es für Ältere oder gar Menschen im Rollstuhl werden, sollten sie auf die verwegene Idee kommen, die Metro in Rom benutzen zu wollen.
GEDACHT: Städte wie Rom machen so viele Menschheitsprobleme sichtbar. Entwurzelung, Migration, Armut und Elend, Billigstramschangebote aus China*, Abfallberge, mehr als zweifelhafte Nahrungsangebote, sprich Fastfood der untersten Kategorie usw..
*Ganz bewusst besuchte ich ein grosses Kaufhaus (es soll dem ehemaligen Politiker Berl. gehören…). Ich fand weder bei den Kleidern noch beim Geschirr irgendein Produkt, das nicht aus China kommt.
GEHÖRT: Von dekadenten Hotelbesuchern in einem Römer Luxushotel (der Bezug ergibt sich, weil eine Bekannte dort arbeitet). Beispiel gefällig? Anruf nachts um zwei beim Service: „Ich möchte jetzt ein gebratenes Gitzi, bezahle 5000 Euro“. Zum Glück bliebs beim Wunsch. Auch mit Geld kann Mann nicht immer alles bekommen.
GEGESSEN: Hauptsächlich Gemüse und nochmals Gemüse, Leguminosen und Früchte. Zum Beispiel im Aromaticus an der Via Urbana in Trastevere. Vegetarisch-vegan vom Feinsten. Wow, was für Düfte dem Bambuskörbchen entwichen… und dazu der Sencha im wunderschönen Krug und eine Menge Bücher. Glückskind du.
GELESEN: Der Salzpfad von Raynor Winn. Zum Inhalt kannst du hier nachlesen.
Weiter zur Masslosigkeit der Massentierhaltung ein Interview mit dem Soziologen Mike Davis der vor 15 Jahren sagte, dass wir wegen der Massentierhaltung ein globales Zeitalter der Pandemien beschreiten werden. Quelle: brennstoff Nr. 60 S. 14 und in der Republik hier. Schwerste Kost!


Irrgang

Einer meiner Lieblingsorte ist die Bibliothek Hauptpost im Osten des Landes. Neben anderen natürlich. Seit meinem letzten Besuch frage ich mich, wohin uns diese bizarre Zeit noch katapultieren will. Natürlich ist es nicht die Zeit, es sind Menschen, die Vorgaben umzusetzen haben. Nein, es folgt kein Statement zu Sinn oder Nichtsinn.

Fakt: Vor dem Eingang zur Bibliothek steht ein Mann, seine Uniform weist ihn als Angehörigen irgend eines Sicherheitsdienstes aus. Ich zeige das geforderte Zertifikat samt Personalausweis. Zu diesem Zeitpunkt trage ich eine Maske. Harsch weist mich der Eingangswächter an, meine Maske hinunter zu ziehen, offensichtlich will er das ID-Bild und mein Gesicht vergleichen (es liegen Jaaahre dazwischen, das sei mal gesagt…). Ich bin konsterniert und frage ihn, ob er da nicht etwas übertreibe. Das wolle der Chef, sagt er und ich: “ dann muss ich mal mit ihrem Chef sprechen“!. Dann stolpere ich in die Bibliothek, die wirkliche Stöberlust ist mir definitiv abhanden gekommen. Der Vorfall lässt mich nicht los, ich überlege, welchen Chef er wohl gemeint haben könnte. Den Bibliothekschef? Das wäre bitter. Oder vielleicht Herrn B. aus Bern? Oder einen kommunikativen Vertreter des BAG?

Mal Klartext: es ist grundsätzlich mehr als absurd, dass diese 3 G-Regelung für eine Bibliothek in dieser Grössenordnung angewendet werden muss. Es bewegen sich wenige Menschen gleichzeitig zwischen den Bücherregalen und man „juckt“ ja schon zur Seite, wenn ein Mensch naht. Ja, ich weiss, Bern will es so. Nur wieso dürfen vier Leute in einem Zugsabteil von St. Gallen nach Bern sitzen, essen, husten, atmen? Vier Leute notabene, die sich nicht kennen? Die kein 3-G-Zertifikat haben?

Ich komme vom Thema ab.

3-G-Test am Eingang zu einem Ort, wo Bildung und Kultur und Wissen zu haben sind. Ok., muss scheinbar sein. Aber: als Höhepunkt eine Gesichtsprüfung durch eine uniformierte Person. Ich fasse es noch heute kaum. Wo sind wir? Da läuft etwas mächtig falsch!

Zu kurz gedacht?

Es war mehr am Rande der immer noch aktuellen Ereignisse zu hören: die Institutionen für ältere Menschen, also die Alters- und Pflegeheime hätten zur Zeit viele freie Betten. In einer Radiosendung äusserte ein Vertreter eines Heimverbandes die Vermutung, dass die Menschen zur Zeit nicht in ein Heim eintreten möchten, weil sie Angst hätten, sich mit dem C-Virus anzustecken.

Es mag sein, dass den Einen oder die Andere eine solche Angst plagt. Ich vermute aber, dass die Menschen – potentielle Heimbewohner*innen und Angehörige – ganz andere Gründe haben, einen Eintritt möglichst weit hinauszuschieben. Denn während den langen Monaten, in denen Heimbewohner*innen separiert, isoliert und bevormundet wurden, hat sich auf eine ganz unschöne Weise gezeigt, wie unwohnlich viele so genannte Heime sind. Gab es bereits vor C eine Diskrepanz zwischen den tollen Internetauftritten und der Realität im Heimalltag, entblösste die Art und Weise des Umgangs während des Lockdowns, wieviel Freiheit erwachsenen, zahlenden Bewohner*innen blieb. Nämlich sehr oft keine. Mein Berufsweg und meine Rolle als Angehörige haben mir ermöglicht, in die Eingeweide einiger Institutionen zu schauen. Es liegt mir fern, einen Rundumschlag zu inzensieren, doch Illusionen mach ich mir (und anderen) gar keine. Ich habe im Umfeld mehrfach miterleben können/müssen, wie rasch sich der Zustand von Menschen nach einem Eintritt in eine Institution zum Unguten verändert hat.

Dreimal täglich essen (nein, wir reden jetzt nicht über viel zu viel Weissmehl, Zucker und Fleisch) und sauber in sauberen Kleidern zu sein ist nicht alles. Gar nicht. Menschen die in einem Heim leben (müssen), brauchen Ansprache, Zuwendung, Körperkontakt, Begegnungen. Wegen *C * alles weitgehend gestrichen. Aktivierungen, Turnen, Singen meistens gestrichen. In einer Institution sagte mir eine Stationsleiterin, während des Lockdowns hätten alle Bewohner*innen ihrer Station alle Psychopharma-Reserven gebraucht. Es dauerte oft endlos, bis minimalste Begegnungen (natürlich und richtigerweise mit Schutzkonzepten) möglich waren. Es gab Ausnahmen, im Tessin wurde rasch eine Art „Glaszimmer“ geschaffen, einzelne Heimleitungen mit Grips und Herz fanden adäquate Möglichkeiten zur Begegnung, während andere Monate brauchten, um telefonieren via Laptop einzurichten.

Bei der Frage ob Eintritt oder nicht wird gerne argumentiert, im Alters- und Pflegeheim sei *man* sei dann nicht mehr so alleine. Stimmt meistens nicht. Wer selbst Kontakt aufnehmen kann zu anderen, findet diesen vielleicht. Alle anderen und das ist die Mehrzahl, sitzt verloren und wartend da. Traurige Realität. Da ziehe ich persönlich technische/elektronische Hilfsmittel der mürrischen Anwesenheit ausgelaugter Pflegepersonen vor…

Ja, es ist mir bewusst, dass *kein Heim* ganz andere Fragestellungen aufwirft. Wer betreut? Wer bezahlt diese Betreuung? Wer leistet sie? Bisher ist es meistens so, dass auch diese Care-Arbeit von Frauen geleistet wird, fast immer ohne Lohn. Von den Frauen, die bald länger arbeiten dürfen und nach dem Willen einiger Bernköpfe im besten Falle auch noch ins Militär gehen sollten. Ok. Natürlich wollen wir Gleichberechtigung. Nur muss dann auch die Care-Arbeit gerecht verteilt werden und frau darf nicht doppelt bestraft werden: zum ersten, in dem man ihr unbezahlte Arbeit überlässt und zum zweiten durch die zwangsläufig folgenden Ausfälle bei der Altersversorgung. Eine gerechte Lösung monetär zu regeln, wird herausfordernd. Es braucht andere Modelle. Vielleicht endet ja die äusserst unheilvolle Wachstumsmanie und ermöglicht ein ganz anderes Wachstum… Hoffen ist (noch) nicht verboten.




Zurückgeschaut 5


GEWESEN: Im fast unbekannten Wallis bei fast durchwegs sonnigem Wetter. Unter anderem zusammen mit den Jungs auf freie Sicht zum Matterhorn gewartet, 65 Prozent-Erfolg:-).
GEFREUT: über die vielen Insekten z.B. am Dost. Als ich dieses Summen vor Jahren zum erstenmal hörte, glaubte ich, ein Bienenschwarm sei gelandet. Schwalbenschwanz, Kaisermantel und Bläuling waren grad auch vor Ort. Die Kamera nicht.
Neuartige Freuden entstehen durch den Welpen der Tochterfamilie.
Seit diesem Jahr sind wir im „Zucchettischwemme-Forum“ zugelassen. Wir können mitreden. Es geht soweit, dass ich heute rohe Zucchettispaghetti produzierte. Kann frau essen.
Vorfreude auf den Stickkurs. Diese Technik hat mich in der Abschiedszeit einer nahen Person auf eine besondere Art getröstet. Ruhig, fast meditativ verbinden sich Grundlage, Faden, Gedanke, meine Hand erschafft eine Oberfläche, überzieht Stoff oder Papier. Die Farben und Strukturen der Garne haben eine hohe Sinnlichkeit, sie laden ein zur sanften Berührung, schaffen Wege zwischen zwei Punkten, legen sich schief, werden aufgelöst, neu verortet wie eine Erinnerung, ich sehe den Sonntagstisch mit der gestickten Decke, weiss erst jetzt, wieviel Zeit in den rankenden Blumen festgehalten ist wo doch unsere so gestundet ist. Einen Trägerstoff und Fäden verbinden, keinem unmittelbaren Zwecke dienend, aus Freude oder weil die Fäden auch eine schwer beschreibbare Sehnsucht stillen, vielleicht etwas Ruhe geben in der überhitzten, fragmentierten und zunehmend beängstigenden Welt.
GEÄRGERT: Die SBB zieht zig fast leere 1. Klass-Wagen durchs Land, während frau die Fahrt ZH-Bern im Gang auf der Treppe abhockt. An die abartige Kühlung der Züge hab ich mich gewöhnt, bzw. immer Schal und Jacke dabei.
Weiterer Ärger durch die Gartenmäuse (Taglilie fertig gemacht), den fast gänzlichen Ausfall der Beeren im Garten und die braunen Schleimer.
GEGESSEN: Die ersten eigenen Buschbohnen. Wurde ja Zeit. Reicht grad, um anschliessend die Herbst-Wintersalate zu setzen. Raue Lagen! Wenn das Wachstum der Kürbissblattmasse in irgend einem Verhältnis zum Ertrag stehen sollte, ist die Freude einseitig. Der Gärtner legt ein seltsames Verhalten an den Tag: pflegt sie, mag sie aber nicht.
GEFEHLT: Sommerliche Sternennächte. Laue Abende. Sommer überhaupt.
GEHÖRT: Ein Interview mit Ariane Zappe über die Symbiose von Schul- und Komplementärmedizin, über Keime, Bakterien und Viren.


Zurückgeschaut 4

GELESEN: Kreuz und quer.
Im Buch „Heilen mit Pflanzenessenzen“ von Bruno Vonarburg.
Von Klaus Brinkbäumer und Samiha Shafy las ich „Das kluge, lustige, gesunde, ungebremste, glückliche, sehr lange Leben„. Die Autor*innen sind um die Welt gereist und besuchten Hundertjährige, um sie nach ihren Geheimnissen zu befragen. Dazu fliessen wissenschaftliche Ergebnisse aus der Altersforschung mit ein. Ich mag Porträts von Menschen, in diesem Buch sind viele davon.
Von Christine Fischer das wunderbare, kleine blaue Buch „Im Mai Am Montag“, gekonnte Miniaturen durchs Jahr. Ein Juli-Beispiel:
Im Juli werde ich gewahr, dass meine Sommer angezählt sind. Dies gilt für alle Jahreszeiten, am schmerzlichsten für die Frühlinge.
Und weil bald August ist, ein Eintrag zu ebendiesem:
Mit der Zeit entsteht und vergeht die Frage, ob die Liebe von aussen kommt oder von innen. Sie scheint dem Menschen zugehörig und ist gleichzeitig etwas, dass einzig aus sich heraus besteht.
Zwischendurch hier gepickt: Japan vegan easy von Tim Anderson. Ich mag Kochbücher mit vielen Hintergrundinformationen. Ganz besonders jene, deren Zutatenliste nicht bis zum Mond reicht.
GEDACHT: Es sei nun endlich an der Zeit, das eigene Vorsorgedossier zu komplettieren. Gedacht hab ich das schon des öfteren. Jetzt liegt das Dossier „ICH BESTIMME“ aus dem Beobachter-Verlag auf dem Küchentisch. Ich schaue jeden Tag zu ihm hin.
GEHÖRT: Wieder einmal die besondere Stimme von Tanita Tikaram.
GEKOCHT: Weiter möglichst dem Zerokilometerprinzip gefolgt, sprich, im Garten geschaut, was geerntet und gekocht werden kann.
GEREIST: Ins Berner Oberland, dort u.a. an einem Spätnachmittag die Aareschlucht durchwandert. Kommentar des jüngsten Enkels: Das Wasser hät denn Power! In der Schlucht auf eine mystische und belebende Art, andernorts mit schrecklichen Folgen.
GESEHEN: Gestern den Film „Wer wir waren“ von Marc Bauder. Im Film geht es um die Frage, was Nachkommende zu uns bzw. unserem erstarrten Verhalten in der Klimafrage im weitesten Sinne sagen würden. Wir sehen, dass wir den Karren in den tiefsten Morast gefahren haben und scheinen unfähig, andere Wege einzuschlagen. Mich beeindruckten alle Protagonist*innen sehr, besonders der Ökonom Dennis Snower, der seinen Wandel eindrücklich und sichtlich bewegt darlegt. Ebenso die lebenserfahrene Ozeanologin Sylvia Earle. Ihre Energie und ihre Ausstrahlung in Verbindung mit ihrer Arbeit, wow! Wir brauchen MEHR solcher Menschen! Politiker*innen, die sich nicht in parteigebundene Ränkespiele einbinden lassen… gibt es das überhaupt? Die Klimakrise (damit ist letztlich unser ganzes Sein verbunden, Ernährung, Migration, Überbevölkerung, Erwärmung und vieles mehr) muss lokal und global angegangen werden. Das wurde in Bauder’s Film ganz deutlich. Wenn wir überleben wollen, müssen wir zurück. Weit zurück. Zur Demut und zur Bescheidenheit. Wir haben gar keine andere Wahl. Es gibt Völker, von denen wir zum Umgang mit Ressourcen, den Nächsten (dem Familienverband), dem Respekt gegenüber Tieren und Pflanzen lernen können. Im Film sagte jemand sinngemäss, dass das Zugrundegehen der Welt auch die Reichsten mitreisse, ich dachte an die Ausflüge der Herren Bezos und Co. in den Weltraum… Also, grosse Sehempfehlung, auch wenns keine leichte Sache wird.


Zurückgeschaut 3

GEFREUT: über viel ganz lebendige Zeit mit den jungen Familienmitgliedern. Und ganz neu dabei der schwarze Vierbeiner. Nach den Erfahrungen der letzten Monate bleibt bei aller Freude und Leichtigkeit eine Spur Schmerz und Sorge – die kollateralen Einschnitte all des Geschehens sind nicht einfach weg. Frau tastet sich mit vielen Fragen in einen neuen Alltag.
GEFRAGT: Ob sich die Risse im Gefüge (sprich die Angst des Menschens vor dem Gegenüber, die latente Einschätzung des Anderen als Virensprayer*in) irgendwann wieder schliessen werden? Oder ob die vielbeschworene Regionalität beim Einkauf lediglich eine temporäre Angelegenheit war oder ob vertiefter darüber nachgedacht wird, in welche Abhängigkeiten wir uns begeben haben? Weil der Preis noch (fast) immer entscheidet, was in den Rucksack wandert. Gibt es effektive Verhaltensänderungen oder heisst es: „Nach dem Impfen ist vor Corona“? Frau darf gespannt sein.
GEÄRGERT: Unglaublich, da redet alle Welt davon, Lebensmittelverschwendung müsse unbedingt verhindert werden und was geschieht (nicht nur) in der Westschweiz? Tonnen von Gemüse werden vernichtet… hier nachzulesen.
GESORGT: Die Unbeständigkeit des Wetters – immer wieder. Alle Phänomene scheinen extremer zu werden.
GESTAUNT: Dass es soo viele Schnecken gibt… und positiv gestaunt über die Rosen, Clematis und all die anderen Blumen. Über die Fülle von Schwalbenschwanz-Schmetterlingen auf der Südrampe im Wallis.
GEWANDERT: Auf eben der Südrampe, von Laupen nach Murten, dem Rhein entlang. Und 45 Minuten im nahen Ausland, ohne Covid-Pass.
GELESEN: Tage des Vergessens. Yvonne Zitzmann. Spannend und beklemmend zugleich.
GEERNTET: Salat, Kohlräbli, grüner Heinrich, Mangold, Krautstiel, Erdbeeren und Teekräuter für den Wintervorrat.

Zurückgeschaut 2

GEWESEN: In den Stunden ohne Regen, Graupelschauer oder alles durchdringender Nässe im Garten. Fürwahr eine Gedulds- und Zuversichtsprobe. Die Special-Chili-Pflanzen sehen nicht so aus, als würden ihre Früchte im kommenden Winter Wärme spenden. Dass zudem die Mäuse ihre Winterparty in unserem Garten feierten, hätte nicht sein müssen. Tja.
GEWESEN 2: heute hier. Eindrücklich ja, nachts wäre es nochmals anders. Auf der Heimfahrt Nachdenken darüber, ob zur Thematik Natur-Mensch ganz neue, ungedachte Aspekte aufgetaucht sind. Vorläufiges Ergebnis: nein.
GEDACHT: an den verstorbenen Franco Battiato. Torneremo ancora (Wir werden wieder kommen) rührt besonders an.
GEKAUFT: einige Pflanzen (Sonnenhut, Indigo-Lupine, Orangenthymian usw.).
GESEHEN: Dass die Fuchseltern am nahen Waldrand sechs Junge haben. Ein Vergnügen, vom Wohnzimmer aus ihren Spielen zuzusehen. Der Nachbar, der nach unbestätigten Angaben innerhalb von zwei Stunden über zehn Hühner verloren hat, wird die Fuchsfamilie weniger schätzen.
In einigen Vogelkästen sind Jungvögel: Blaumeisen, Kleiber und vermutlich Rotschwänzchen. Leider kann ich die Tonlage der jugendlichen Gesänge genau wie Grillenzirpen nicht hören. Wo ich doch sonst das Gras wachsen höre!
GEHÖRT: einen Kuckuck. Beim Wandern auf die Cimetta Cardada.
GEFUNDEN: Quinoa aus Schweizer Anbau.
GELESEN: Frauenheilpflanzen von Dr. Heide Fischer. Herbig Verlag. Nützlich. Meine Kräutersammelsaison hat begonnen.
GESTAUNT: Aktuell sind in Alters- und Pflegeheimen viele Betten leer. Darüber staune ich nicht, hingegen über die Aussage, die Menschen hätten wohl Angst, sich im Heim mit C anzustecken und würden deshalb nicht eintreten. Vielleicht haben die Betroffenen und ihre Angehörigen auch verstanden, wieviel Freiheit sie bei einem Heimeintritt verlieren könnten. Im Laufe meiner Berufstätigkeit habe ich zuviele tolle Webauftritte und geschniegelte Prospekte gesehen. Die Realität auch. C hat den in vielen Fällen (es gibt löbliche Ausnahmen, ja!) unguten Zuständen die Krone aufgesetzt. Da ist einiges gut zu machen.
GEFREUT: Der Birnbaum scheint nicht nur die Kältezeit überstanden zu haben, sondern will nach langen Jahren des Wartens nun doch Früchte ausbilden. Der Weg ist noch weit, die Gefahrenliste gross. Wären alle Topazblüten befruchtet, wäre mein Apfelhunger für eine längere Zeit gestillt…siehe letzter Satz. Freuen darf ich mich.