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Nordwärts Teil 3: Bruchstücke aus Schweden

Kunst, Wasser und Wald fallen der Reisenden als spontane Oberbegriffe für den dritten und abschliessenden Teil dieser Nordwärts-Trilogie ein. Sie bleiben auch nach einigen Minuten, nein Wochen! Nachdenken wesentlich und bedeutsam – dass dabei ein meteorologischer Traumsommer Einfluss hat, zeigen die Bilder. Andersrum wären vermutlich Wasser und Wald etwas in den Hintergrund gerückt, dafür wäre es die eine oder andere Ausstellung mehr geworden, vielleicht wäre mal ein tolles Hotel zur Sprache gekommen oder eine vertiefte Innenansicht eines Gebäudes.
Über die Öresund-Brücke (Verbeugung vor der Ingenieurs- und Baucrew!) sind die Wildcamper nach Schweden gekommen. Weil vorgängig festgelegt war, dass „weilen wo es passt“ vor hektischem Abklappern vermeintlicher Sehenswürdigkeiten kommt, öffnete sich ein weites, grosses Feld bzw. Land und Landschaft. Es mag Gründe und Orte geben, wo organisierte Reisen ihre Berechtigung haben, für die Reisenden wären sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht praktikabel. So gestalteten sich viele Reisetage vorerst als unbeschriebene Blätter, mit mitreisender Schlafgelegenheit und einem Essensvorrat für die nächsten 3 Tage. Wald, Wald, Wald, Seen und Seen die eigentlich Flüsse sind, das Meer und ja sicher! ein Elch am Strassenrand, der einzige auf der langen Reise.
Die abseits wohnenden Reisenden werden hierzulande immer wieder auf ihre für viele eigentümliche Wohnlage angesprochen: ob man ganzjährig hier wohne, wie man da denn einkaufe und vor allem, ob frau denn keine Angst habe, durch den Wald und so abseits und so weiter und so fort. Nun also, die besorgten Frager sollten mal nach Schweden: es gibt natürlich Dörfer und Städtchen, doch sehr viele Menschen wohnen in gerodeten Lichtungen im WALD! Die typisch roten Häuschen stehen da und was vielleicht alle eint, ist der stets perfekt geschnittene Rasen rund um diese Häuser. Die Fahrenden sahen an keinem einzigen Ort einen nicht perfekt geschnittenen Rasen. Vor gut zwanzig Jahren ausgewanderte Schweizer, denen die Reisenden einen Besuch abstatteten, wussten, dass das der perfekte Rasen unabdingbar ist. Um nicht gegen eine ungeschriebene, aber unumstössliche Regel zu verstossen, fahren Enkel samt Rasenmäher zum Haus der gerade erkrankten oder auslandabwesenden Grossmutter.

Abgesehen vom Sein und Leben in der Natur gab es Zwischenhalte, wie hier in Bergdala, einer der verbliebenen Glasbläsereien in einer Region, in der dieses Handwerk einst sehr verbreitet war. Dass aus Sand letztlich Glas wird – ein erstaunlicher und spannender Vorgang.

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Nicht immer ganz einfach gestaltete sich die Suche nach „wilden“ Stellplätzen – das mag durchaus mit der Erwartungshaltung der Reisenden zu tun haben (Waldlichtung, Seezugang, Beerenvorrat, keine Häuser…). Mit etwas Effort und kleineren Abstrichen gelang es fast immer, „gut“ zu übernachten. Wobei zu sagen ist, dass die Fahrenden in Kopenhagen und in Stockholm auf einem stadtnahen Campingplatz waren (ca. 10 km ausserhalb der Stadt) und dann jeweils per Velo in die Städte fuhren. Über Campingplätze und die dort zu beobachtenden Phänomene wäre ein seeehr langer Beitrag zu schreiben.
Der Idealplatz der Reisenden sieht etwa so aus:

Unweigerlich kommt die Frage nach den Mücken. Eine Woche vor Reiseantritt schluckte die von den Mücken geliebte Schreiberin homöopathische Chügeli (verändern die Körperausdünstungen… hmmm….), dann kam Spray forte mit und Mückengitter. Was traf frau an: ja, es gibt Mücken. Bevorzugt beim Eindunkeln und auffliegend, wenn frau durchs Heidelbeerpolster schlurft. Insgesamt waren im Norden aber nicht mehr deftige Mückenstichstellen zu erdulden als einem Schweizer Open-Air oder in Süditalien.

Bei aller Verbundenheit mit der Natur bestätigte diese Reise gewisse Vorahnungen (mindestens für die weibliche Hälfte des Reiseduos): Die Topografie im Landesinnern ist geprägt durch Wald und Wasser und wird mit der Zeit auch eintönig, mindestens wenn sie mit der spannungsreichen CH-Landschaft verglichen wird. Das ändert in Küstennähe und stimmt nicht für den südlicheren Teil Schwedens, wo eine etwas hügeligere Landschaft vorherrscht. Fast bedrückend wirkt sich (für die Schreibende) die Tatsache aus, dass kaum eine Erhöhung einen minimalen Überblick ermöglicht. Gut, sie ist appenzellerhügelgeprägt – soviel müsste es gar nicht sein, doch ab und zu den Blick „übers Land“ schweifen lassen, hat schon eine hohe Qualität. DAS war selten möglich und erzeugte dann und wann ein Gefühl von „in der Landschaft ersticken“. Wie es oberhalb von Uppsala aussieht, kann nicht beurteilt werden, die verschlafene Universitätsstadt war der nördlichste Punkt dieser Reise.

Stockholm – zwischen Mälarsee und Ostsee auf 14 Inseln liegend, bietet unendlich viele Sehenswürdigkeiten und hat ganz viel „Südliches“. Wie bereits in Kopenhagen waren die Reisenden auch hier ausschliesslich mit dem Velo unterwegs, was in diesen velofreundlichen Städten pure Freude ist und weit weniger müde macht als das Unterwegssein zu Fuss, in Bus oder Metro. (Vom Gegenwind mal abgesehen…). In solchen Momenten wünscht frau sich das Appenzellerland flacher ;-). Oder evaluiert die Anschaffung eines E-Bikes.

Eine Fotostrecke möge einen kleinen Einblick geben in die Tage in der nordischen Metropole, in der gleich wie in Kopenhagen Architektur und Kunst am meisten Platz bekamen. Damit wird die Nordtrilogie abgeschlossen – sie muss zeitgeschuldet fragmentarisch bleiben und kann verschiedenste „Brennpunkte“ nicht ausführen – wir hatten die sehr geschätzte Gelegenheit, bei einem Schweizer Paar, welches seit langem in Schweden lebt, unsere Beobachtungen zu diskutieren. Ein eindrücklicher und aufschlussreicher Reiseabschluss!

 

Nordwärts Teil 1: Vom Brot, Touristen und der Heide

Die Reisenden sind zur Basisstation zurück gekehrt. Auch Südmenschen fahren mal nordwärts ebenso wie die dem Element Erde Zugetane sich auch mal ins Wasser wagt. Zögerlich. Die nomadische Art des Reisens im VW-Bus eröffnet Freiheiten und Sichten, fordert Vorbereitung, ab und zu Geduld und schiebt einem vermutlich näher an Land, Menschen, Fauna und Flora. Statt kontinentalem Frühstück im Hotelbauch Müesli mit selbstgesuchten Beeren am See; Einkaufen in Läden, in denen die Produkte schwedisch und nur schwedisch angeschrieben sind und ein Himmel der sechzehn (16!) Tage blau und fast wolkenlos ist.
Die Wege sind weit, umso mehr wollen sie eingeteilt sein in verträgliche Etappen, verbunden mit Orten, Menschen oder einfachem Sein. Hier wird keine lückenlose Auflistung entstehen, mehr ein punktueller Rückblick auf einzelne Momente, der knappen Zeit geschuldet vermutlich oft mehr bild- statt wortlastig.
Wiederkehrende BlogbesucherInnen wissen es: Brot ist der Schreibenden wichtig, so wichtig, dass sie ihre eigenen Sauerteige züchtet um damit Brote aus gutem Getreide (u.a. von hier) und mit sehr langsamer Teigführung zu backen. Vor ihrer Abreise hat die Bäckerin ihre Freunde kaltgestellt, was übersetzt bedeutet, dass ihre Sauerteige je zur Hälfte getrocknet bzw. tiefgefroren wurden, um nach der Rückkehr ins aktive Hefeleben zurück zu kehren. Im Norden gibt es auch Brot. Sicher. Wirklich gutes Brot ist eher selten zu bekommen. Dann und wann findet sich eine Brotmanufaktur. Kleine Auswahl, Baguettes, Brötchen, grosse Roggenlaibe, Zimt-Kardamomschnecken – das reicht und ist dann meist auch gut. Weil die Brotnot drohte, weil die Schreibende den Bäcker über gemeinsame Bekannte vage kannte und weil seine Brot-Philosophie mehr als anspricht, war ein Blitzbesuch bei Arnd Erbel, dem Freibäcker in der Nähe von Nürnberg gewidmet. Ein Blick in die Backstube, ein paar Sätze und eine geschenkte, noch namenlose Brotkreation, die sich zu den bereits im Laden erstandenen Vorräten gesellte und die wie alle anderen Freibäckereien Gaumen, Magen und Bäckerinnenherz beglückten.

 

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So ausgestattet (logo: die Brote statt Verpackung zu zeigen wäre sinniger. Die wunderbaren Brote sind jedoch nur in Union mit den Reisenden zu sehen und diese lassen wir mal beiseite…) wurde der erste Rastplatz bzw. Waldrand gefunden. Nach einer Fahrt durch äusserst trockene Gegenden Deutschlands – ältere Einheimische erinnern sich nicht an solch trockene Sommer – vorbei an riesigen Maisfeldern, ab und zu Getreide, alles ingesamt im Vergleich zur Schweiz sehr grosse Betriebe (die Fahrenden werden sich weiter nördlich noch wundern…). Grosse Hallen, in denen wir aufgrund der Umgebung und des Geruchs Schweine vermuten: nach der Reise und eingehender Beobachtung von Essgewohnheiten muss leider davon ausgegangen werden, dass dem so ist.

Die Lüneburger Heide, wieder einmal ein Ort, dessen Klang lockt – abgesehen von der „touristischen Schlagseite*“ durchaus lohnenswert – zumal das Heidekraut zwischen Mitte August und September blüht und das betrachtende Auge erfreut. Wissbegierige erfahren hier mehr zur Heide. Von Niederhavebeck aus radelten die Reisenden auf den höchsten Berg (ui… Berg…??) in der Lüneburger Heide, den Wilsederberg, 169 m.ü.M.  Neuland und lohnenswert, der blaue Himmel entspannte sich erst in Kopenhagen vollends.

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* Eine Zwischenbemerkung: Es ist ein eigenartiges Phänomen, dass sich Reisende durch andere Reisende gestört fühlen. „Es hatte keine Touristen“ als Aussage von Touristen ist mehr als fragwürdig, als was bitte betrachten sich diese Menschen? Als besondere Spezies, die sich vom Gros der Reisenden irgendwie abhebt und historischen Entdeckern gleich (gab es eigentlich Entdeckerinnen? Das wüsste die Schreibende schon lange gerne!) als erste und einzige einen Ort betreten? Jede und jeder, der in gleicher Absicht unterwegs ist, ist ein pfui! Tourist und stört? Wie weit dieses Verhalten ein CH-typisches ist, kann nicht gesagt werden, ebenfalls nicht, ob es sich um ein Unter-, Mittel-, oder Oberschichtenproblem handelt, wobei die Reisenden in ihrer soziologisch nicht einzuordnenden Schichtzugehörigkeit kaum in Kontakt kommen mit der Creme de la Creme. O.k., frau schrieb von touristischer Schlagseite. Gemeint sind die Shops mit den unsäglich hässlichen Souvenirs (hergestellt in Fernost), die nicht minder unschönen Cafés mit Touristenmenü (iss schnell und mach rasch Platz), entsprechende Qualität (als ob alle Reisenden zu einem möglichst günstigen Preise möglichst viel in ihren Schlund stopfen möchten!) und über allem eine erschöpfende, müde und graue Lieblosigkeit. Regionale Produkte in stimmig-authentischem Ambiente, es kommt vor, leider viel zu selten.

Wald, Wälder – Harz, Lüneburger Heide, Thüringer Wald – sollten erst ein Vorgeschmack sein zu dem, was sich den Reisenden diesbezüglich in Schweden zeigte… jetzt erstmal:

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In Puttgarden steht die Autofähre bereit und bringt Vehikel und Insassen nach Rodby (Dänemark). Wildcamper können unvernünftig sein und einem Wortklang auf einem Strassenschild folgen. Der Fjord entpuppte sich als dicht bebautes Gebiet, die Bauminsel, die sich später und anderswo zeigte, war ganz passabel als Nachtlagerort. Frühmorgens Weiterfahrt nach Kopenhagen, dort und später in Stockholm blieben Moritz und Crew VW-Bus und Besatzung auf einem Campingplatz ausserhalb der Stadt. Die zehn Kilometer ins Stadtzentrum waren Velozeit: eines der freudigsten Erlebnisse auf dieser Reise: Den langen Roskildevej entlang nach Kopenhagen sausen und v.a. innerhalb der Stadt völlig frei per Velo an jeden Ort radeln können… ruft nach mehr!

Die Biofreaks freuts: der knurrende Magen kann auch in Kopenhagen besänftigt werden:

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Fortsetzung folgt.