Märit

Bern pflegt nicht nur den „Zibelemärit“. Dienstags und Samstags bieten die „Märitlüt“ in der Bundesstadt ihre Waren an hunderten von bunten Ständen feil. Besonders der noch etwas umfangreichere Markt am Samstag sei empfohlen. Sei es um zu „gwundern“ oder natürlich um sich mit Rohprodukten einzudecken, die sonst nicht in dieser Frische und  Auswahl angeboten werden. Wir beginnen unseren Rundgang gleich beim Südaufgang des Bahnhofsbauches, auch als „Löbegge“ bekannt (wenn wir Glück haben mit Posaunenfanfaren) und biegen dort in die Schauplatzgasse ein. (Die Fotos können durch Anklicken vergrössert werden)

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Am Rand der charakteristischen Laube, die Bern’s Gassen eigen sind, reihen sich Stand an Stand. Schnell wird klar, dass die Gemüsebauern aus dem nahen Seeland stark vertreten sind. Nicht selten kommen Familienbetriebe seit Generationen mit ihren Waren auf den Berner Markt. Ende Schauplatzgasse treten wir hinaus in’s Gewimmel des Marktgeschehens auf dem Bundesplatz. Hier wird die ganze Fülle des Marktes offenbar. Gemüse in allen Varianten, Farben und Qualitäten, von exotisch bis bodenständig, von (viel) bio bis (wahrscheinlich) hors Sol wird angepriesen. Daneben prachtvolle Blumengestecke, Setzlinge und Mengen an Früchten, Käse, Pilzen, Dörrfrüchte und der vielen Gaumenfreuden mehr.

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Uneingeweihte gehen nun davon aus, dass der Marktbesuch beendet sei und man zum Kaffee schreiten könne (Märkte besucht man ja vorzugsweise früh am Tag),  der Berner Markt bietet aber mehr! Der für mich beschaulichste Teil des Geschehens erschliesst sich erst nach einem kurzen Bummel vom Bundesplatz via Amthausgasse Richtung untere Altstadt. Vorbei am altehrwürdigen „Cafe du Theatre“ über den Casinoplatz mündet unser Weg in die Münstergasse. In einer der ältesten Gassen Bern’s stehen hier die Stände beidseits der Strasse dicht an dicht. Das Angebot ufert hier bis mediterran und oriental aus, was nicht heissen will, dass das Einheimische zu kurz kommt. Es gibt Sirup, grüne Datteln, Dauerwurst, Ananas, Büffelfleisch, Harissa und prachtvolle Käseauslagen, ob deren Fülle die heutige Wahl ein Versprechen an das Nachbarkäsli für den nächsten Samstag ist.

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Hier  kann sich das Auge satt sehen, der Magen wird stimuliert und die Einkaufstasche füllt sich. Wenn es Sommer ist, werden wir nun nicht abgeneigt sein, uns nach dem Gewimmel in der Münstergasse via Münsterplatz auf die Münsterplattform zu einem Kaffee mit Aussicht zurückzuziehen, (nicht ohne beim Passieren des Münsterportals kurz vor dem Anblick des Jüngsten Gerichtes zu erschauern).

Es darf gesagt werden, dass wir auf diesem Marktbummel auch gerade einem schönen Teil bekannten und weniger bekannten Sehenswürdigkeiten der Stadt die Aufwartung gemacht haben. Um das Mass voll zu machen, flanieren wir vom Münster via Münstergässchen in die Kramgasse hinüber, der wir stadtaufwärts folgen, um auf diesem Weg noch dem „Zytglogge“ die Referenz zu erweisen. Nebst dem kunstvollen Glockenspiel und den Trauben von fotografierenden Touristen hat der Zytglogge auf seiner unspektakulären Nordseite nämlich noch eine kleine Einrichtung die ich und andere  ortskundige Männer oft zu nutzen pflegen – anstatt im Bahnhof bei „Mäk-Kliin“ für 2 Fränkli ! tun wir’s hier gratis.

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An meinen Berg

An meinen Berg
Ein jeder Stein hat
Seinen Sitz
An deinem Körper

Was mach ich nur
Wenn ich einmal
In den Falten
Der Geröllhänge
Keinen Platz mehr finde?

Werde mich wohl
Im Wind auflösen
Und dich umheulen
Mit den hungrigen Wölfen
Und den entlassenen Gräsern
Eines Sommers

Galsan Tschinag
aus: Wolkenhunde. Waldgut Verlag

 

Wohnungsbau – ornithologisch

Die gefiederten Mitlebewesen finden auf ARGA Wohnraum für ihre Brutgeschäfte, nebst Bedingungen, die ihrer Lebensweise zuträglich sind, hoffentlich! Noch sind von den angebotenen Wohnungen nicht alle besetzt: die Paare Baumläufer und Zaunkönigs sowie Meisens fänden noch einen geschützten Ort um für Nachwuchs zu sorgen. Bereits vermietet haben wir an Herr und Frau Hausrotschwanz (ihre Loftwohnung ist im Beitragsbild zu sehen), an das Konkubinatspaar Blaumeisis und ein Paar aus der Sperlingsfamilie hat eine freie Wohnung mehrmals besichtigt, scheint aber uneins zu sein. Glücklicherweise sind wir auf die Mieteinnahmen nicht unmittelbar angewiesen, so ist die Investition in drei Zaunköniginnenkugeln und das Wissen, dass es auch drei Jahre dauern kann, bis sie diese beziehen, aushaltbar. Drei Nistgelegenheiten sind es, weil Zaunköniginnen wählerisch sind: der Auserwählte ist angehalten, seiner Braut mehrere mögliche Wohnsitze zu zeigen, sie wählt dann die künftige Adresse, fast wie im Menschenleben… ja, wer brütet denn (meist)?

Virgilio Masciadri hat das folgende Gedicht geschrieben:

Sätze über das Singvieh
Das Protestpotential
des Hausrotschwanzes ist nicht zu
unterschätzen
sein gutbürgerlicher Habitus
im schwarzen Jackett mit dem
modischen
rostroten Pullover
hindert ihn nicht auf dem Geländer
der Terrasse ein grosses
Gezeter zu vollführen
über seine tieferen Beweggründe allerdings
lässt auch er
uns im Dunkeln

aus: Das Lied vom knarrenden Parkett, fund-orte 35 2010

ARGA’s Grüne und ein Irrläufer

Zuwanderung

Gestern bildeten sich nach intensivem Nachtregen schon wieder Pfützen in Teilbereichen bodenverdichteten  Kulturlandes. Wie in den vergangenen Jahren, etwa in der Mitte des wetterlaunischen Monates, begegneten mir auf dem Weg zum Stall bei einer dieser Wasserstellen zwei Rostgänse.

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(Bilder: Vogelwarte Sempach)

Durch ihre Grösse und Färbung fallen die Vögel, die eigentlich aus den Steppengebieten Asiens und Nordafrikas stammen, im hiesigen Landstrich auf. Seit mehreren Jahren sind diese Wasservögel, deren Ursprungstiere wahrscheinlich entwichene Tierpark-und Volierenexemplare waren,  hierzulande zu erfolgreichen Brutvögeln geworden. Die Elterntiere zeigen während der Brutzeit gegenüber anderen einheimischen Vogelarten in ihrem Aufenthaltsgebiet ein äusserst agressives Verhalten. Dadurch haben sich die eingewanderten Fremdlinge ohne Papiere und Asylentscheid bereits einen arg ramponierten Ruf als problematische Neozoen geschaffen. Durch den Klimawandel, schier unkontrollierbarem, weltweitem Warenverkehr und anderen global wirksamen Einflüssen, passt sich auch die Tier-  und Pflanzenwelt dem Weltenwandel an. Die Schweiz und unlängst auch die EU haben in diesem Zusammenhang millionenteure Aktions-Beobachtungs-und Massnahmenprogramme gegen „schädliche Neophyten (Pflanzen) und Neozoen (Tiere) beschlossen.
Wer im hochinteressanten, lehrreichen und zudem noch unterhaltsam zu lesenden Buch „Naturgeschichte(n)“ von Josef H.Reichholf gelesen hat, wird sich zu dieser Entwicklung allerdings eine andere überzeugende Meinung bilden können  – und die Gefiederten, inklusive Zufliegern, werden ihre Lebens-Raumentwicklung eher nach den anarchistischen Grundsätzen der Naturregeln, als nach menschen-ersonnenen Programmen und Massnahmen vorantreiben.

 

 

 

 

 

 

Schöne Ostertage !

Angesichts der meteorologischen Gegebenheiten mit einem Bildstreifen aus Griechenland…. Aufnahmen: Charles Martin

Eigenbrötlerin

Compis können einiges, doch sie transportieren weder den Duft noch das Knistern und schon gar nicht die knusprige Krume dieses meines „Hausbrotes“. Hunderte davon – nein, ich übertreibe nicht – haben den heimischen Backofen verlassen und sind (nur mit frischer Butter drauf!) zu Hauptdarstellern geworden. Am zweiten Tag gerne mit Comfi, Pomeranzen oder Quittengelee, in jedem Fall Homemade, da weiss frau genau, was für Früchtchen und wieviel (wie wenig!) Zucker drin sind. Das Brot ist auch am Tag vier noch bestens, kein Muffen, kein Schimmel, kein drohender Zahnverlust. Es riecht nach Getreide, nach was anderem ist extrem unerwünscht, folgedessen ist die Zutatenliste kurz: Mehl, davon ein Teil aus frischgemahlenem Getreide (Dinkel, Weizen, Roggen, je nach dem), Wasser, Salz und zwei mickrige Gramm Hefe. Zeit ist der entscheidende Faktor: vom Moment des Teiganrührens bis zum fertigen Brot s.o. dauert es rund 24 Stunden. Also nix da für Eilige, die kaufen ihr Brot besser, es gibt ja noch einige wenige Bäckereien, die Brot backen. Mit dieser langen Gehzeit entwickelt das Getreide den intensiven Brotduft, wenn du ihn riechst, fällt dir im besten Falle das Brot deiner Kindheit ein – hmm, vorausgesetzt du bist fünfzig und drüber! Im Magazin des Tages-Anzeigers schreibt Christian Seiler (Link folgt) über einen Bäcker in Wien, dessen Brotzubereitung sage und schreibe 144 Stunden daure. Der Bäcker ein Tüftler, leidenschaftlich besessen von seiner Brotvision, die KundInnen danken es und sollen die Brote bis zum allerallerletzten Krümmel essen. Mir fallen genau jetzt die Bilder aus dem Film „We feed the world“ von Erich Wagenhofer ein, wie baggerschaufelweise Tonnen von Brot „entsorgt“ werden und es bleibt wohl Wunsch, dass Brot wieder weit mehr sein kann als ein geschmackloses Wattestück, das ein paar Stunden nach dem Kauf weggeworfen wird. Für Neugierige: mein Brot entsteht leicht abgeändert nach einem Rezept in vier Teilen auf dieser Seite.

Neuland – eine Filmbegegnung

Eineinhalb Kinostunden in denen ich beeindruckt, gebannt und bewegt den Bildern der Regisseurin Anna Thommen folge: in ihrem vielfach ausgezeichneten Dokfilm „Neuland“ zeigt sie eine Basler Integrationsklasse, in der ein engagierter, boden-ständiger und warmherziger Lehrer mit enorm grossem Einsatz versucht, seinen SchülerInnen (junge Menschen zwischen 17 und etwa 20 Jahren) die deutsche Sprache und unsere „Gebräuche“ nahe zu bringen. Die jungen Menschen stammen beispielsweise aus Afghanistan, Eritrea oder der Türkei. Sie tragen persönliche Schicksale und die Auswirkungen politischer Ereignisse mit; müssen sich neben der neuen, nicht einfach zu erlernenden Sprache, der Mühsal des sich bewerben müssens und ihrem je individuellen „Weh“ auch mit schwierigen Wohnsituationen, Nebenarbeiten und dem völligen Fehlen eines präsenten familiären Netzes auseinander setzen.
Der Lehrer scheint auch nach zwei Jahrzehnten Arbeit in diesem Umfeld zuversichtlich und optimistisch geblieben zu sein. Er ist seinen SchülerInnen gegenüber offen, will gewisse Regeln eingehalten haben und setzt sich vermutlich weit über das übliche Mass dafür ein, dass seine „Schützlinge“ im Arbeitsleben Fuss fassen können. Mich haben neben den Bildern, den Schicksalen und dem Engagement des Lehrers die Hürden beeindruckt, welche sich den jungen Menschen mit mangelhaften Sprachkenntnissen entgegen stellen. Hier geborene Jugendliche sehen sich einer Berufswelt gegenüber, die viel fordert und Menschen mit noch zu entwickelnden Kompetenzen rasch aussondert – um wieviel schwieriger wird es da für Menschen, die bereits bei einem Telefonat zwecks einer Schnupperwoche ihren Namen dreimal nennen müssen und (noch) nicht perfekt imstande sind, auszudrücken, was sie möchten. Gerade diese Bilder schmerzen – weil frau mitgeht mit den Hoffnungen, den Wünschen und miterlebt, wie solche platzen – was auch Schweizer Jugendlichen geschieht – doch hier mutet es an wie ein Schlag in die Magengrube. Der Film ist eine wunderbare, nahe, fast zärtliche Hommage an Menschen, Gesichter und Geschichten. Absolut empfehlenswert!