Ostwärts – eine Rückschau

Winter ist Vorreisezeit oder Zeit für Kopfreisen – sorgsam wollen die karg zur Verfügung stehenden Ferientage des neu angebrochenen Jahres eingeteilt und geplant werden. Zeit aber auch für eine Revue auf die Ostreise des vergangenen Jahres. Ostreise ?  Ja….unser Entscheid, eine Region in Ostpolen an der weissrussischen Grenze zu besuchen und zu erkunden, stiess auf oftmaliges Nachfragen. Sowenig wie wir konnten die Bekannten Ostpolen als Feriendestination einordnen. Uns war es ernst, und wir hatten zudem guten Grund, da in jener Region bekannte, aus hiesiger Enge Ausgewanderte einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb bestellen. In loser Folge also ein paar Kurzberichte von Erlebtem, Gesehenem und Er-fahrenem anlässlich dieser ungewöhnlichen Reise, die doch oftmals auch während des jetzigen Alltags immer wieder Bilder zu Kopfe steigen lässt.

Am Morgen des 31. August ist der „Moritz“ mit dem Nötigen beladen, um uns gute 14 Tage grösstmögliche Unabhängigkeit zu ermöglichen. Wir haben beschlossen, in einigermassen flottem Tempo bis in die Nähe von Dresden durch die Weiten unseres Nachbarlandes zu fahren. Wir schaffen es mit den unvermeidbaren Kaffeepausen, anlässlich der einen wir noch den Apfelvorrat aus Wildsammlung anreichern können, bis rund 40 Kilometer vor Dresden, wo wir einen einfachen, unspektakulären Übernachtungsplatz neben einem offenbar unbefahrenen Schmalspurbahntrasse finden. Wahrscheinlich heute nur noch eine Nostalgiebahnstrecke von Nossen bis Freiberg. Mit Sichtungshunger auf die  Stadt Dresden ungestörte Nachtruhe tief im Sachsenland –  zu unserer Kindheit noch hinter dem eisernen Vorhang in der DDR.

 

 

Dem Trend entgegen

Mit Feuerwerk (man darf sagen mit weniger als auch schon), mit viel politischem Getöse, von Mauerbau bis Gelbwesten und nun auch noch mit der weiss und reich befrachteten meteorologischen Grosswetterlage, bemüht sich das neu erblühende Jahr schon in den ersten Wochen, einem in den Strudel von Aktivismus und allgemeiner Verunsicherung zu ziehen.
Da gelüstet es mich, diesem Trend etwas Ruhendes und Sinn – bildliches gegenüber zu stellen.

Zeitgenössischer – der Zeit angepasster, meine Sinne nicht beleidigender Architektur, mit Interesse und Neugier begegnend, sei an dieser Stelle als Eintrittspforte zum neuen Jahr die Kapelle auf der Alpe Vordere Niedere bei Adelsbuch im Bregenzerwald kurz vorgestellt.
Die Kapelle wurde auf 1600 m Höhe auf erwähnter Alp aufgrund eines Versprechens der Bewirtschafterfamilie erbaut.
Die Frau erlitt eine Fehlgeburt ihres ersten Kindes. Darauf gelobten die Eltern, im Falle der Geburt eines gesunden Kindes auf der Alp eine einfache Kapelle zu errichten. Ein gesundes Kind kam zur Welt und 2007 schrieb die Familie einen Architekturwettbewerb aus, dem Gewinner winkte ein Preis von 3 Laib Käse aus der alpeigenen Sennerei. So „dramatisch“ die Entstehungsgeschichte, so unaufgeregt der schlichte und in seiner strengen Einfachheit beeindruckende Holzbau. Die Kapelle ganz in Holz aus der nahen Umgebung mit einem schmalen Lichtband, das den Altar illuminiert, ruht auf einem Natursteinfundament an der Kante des jäh abfallenden Hanges und richtet den Blick in die Weiten des Bodenseeraumes.

So gekonnt einfach, kann ein Bau dem Be – suchenden Ruhe, Bescheidenheit, und Achtung vor handwerklichem Geschick nahe bringen und so zu einem guten, besonnenen Einstieg für das 2019 werben.

Das Leben nicht verstehen

Biebrza-Flusstal, Ostpolen 2018

Hier soll wieder ab und zu eine Wortmeldung sichtbar werden, die Lyrikleserin kommt nicht umhin, mit einem Gedicht ins noch junge Jahr zu starten:

Du musst das Leben nicht verstehen

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

Rainer Marika Rilke

Streiflicht zum Jahresende

Als nachdenklich, erstaunt oder konsterniert hat die Reisende den Blick der lebenserfahrenen Frau im Süden Italiens interpretiert. Sind die fremden Menschen, die durch die weisse Stadt schlendern, die Geschehnisse, die man ihr zuträgt oder die eigene Hinfälligkeit, der frau unweigerlich begegnet, Auslöser ihres Ausdrucks? Die Schreiberin weiss es nicht und denkt einer Unbekannten Empfindungen zu, die vermutlich mehr die eigenen sind, an Anlass dazu fehlt es wahrlich nicht.
Die Dornenkränze, um deren Erhalt niemand gebeten hat, wiegen schwer und werfen bittere Irrlichter auf den Gang der Lebendigen. Aufgeben wäre eine Option: dem Licht, Freude und Neugier, ja dem Leben abzusagen und im Verlies zu dämmern. Zwischen den Ritzen der Trauer drängt ein Keimling ans Licht, eine Ahnung nur, wo er fusst und seine Nährlösung bezieht, er ist da, unbeirrbar und zäh.
In Tagen wie diesen, frei von Pflichten und mit der Möglichkeit, Eigenem nachzugehen, was heissen kann, sich der wunderbaren Stille rund im die eigene Wohnstätte einmal mehr gewahr zu werden und sich dabei mit den Gedanken aus dem eben gesehenen Film über die Stille (KinoK St. Gallen) zu verbinden, bleibt – zulassen vorausgesetzt – Raum für Fragen, deren Antworten nicht auf die Schnelle zu haben sind und Einfluss nehmen (könnten?) auf den Fortgang dieser Wanderung. Noch gelingt es, nach einem Sturz mit aufgeschürftem Knie oder einem unbestimmten Druckgefühl in der Herzgegend, wieder in einen Alltag zu finden und doch würde es von ausgeprägter Einfalt zeugen, wenn die Geschehnisse bzw. der Blick auf den Lebenskalender nicht auch nach Innehalten, Orientierung oder Veränderungen rufen würden. Oder zu bewussterem Abwägen, was mitgetragen werden soll, was fortgeräumt oder geordnet sein will. Zeit für Rück- und Ausblicke, in biografischer Form hat dies der amerikanische Psychotherapeut Irvin D. Yalom in seinem neuen Buch „Wie man wird, was man ist“ beschrieben.
In Tagen wie diesen (nochmals) ist auch die Zeit, um Gutes zu wünschen. Möge das kommende Jahr all den Initiativen und Bestrebungen Erfolg verschaffen, welche sich für Gerechtigkeit, Ausgleich und Frieden einsetzen. Auf der individuellen Ebene wünscht die Schreiberin allen Menschen Gutes, Licht und den Mut, Gewohntes zu hinterfragen und allenfalls notwendige Kurskorrekturen vorzunehmen.

Land der verlorenen Zeit

In mein Herz weht nun ein frischer Wind
aus jenem weit entfernten Land.
Wo sind die blauen Hügel, geliebt als Kind,
wo Türme und Farmen, die ich gekannt?
Es ist das Land der verlorenen Zeit,
so strahlend rein wie zu Beginn.
Die frohen Wege lief ich weit und komme nie wieder dort hin.

A.E. Housman in: „A Shropshire Lad“

7 Fragen an Ihr Leben

Sieben Fragen an Ihr Leben. Von André Heller

Zwecks besserer Lesbarkeit:

  • Leben Sie synchron mit den klugen Bedürfnissen Ihrer Seele?
  • Haben Sie eine Eleganz der Gedanken und Taten?
  • Gelingt es Ihnen, die Kluft zwischen wesentlichen Erkenntnissen und den Konsequenzen, die daraus resultieren sollten, zu überbrücken?
  • Sind Sie häufig dankbar, anderen und sich selbst gegenüber? (Auch den nimmermüden Leistungen Ihres Körpers gegenüber?)
  • Verwandeln Sie sich über die Jahrzehnte ins Gelungenere?
  • Glauben Sie, dass man genau die Art von Energie, die man aussendet, auch zurückerhält?
  • Haben Sie Ihre wesentlichen guten Fähigkeiten gefördert oder eher veruntreut?

Hier entdeckt. Grosse Fragen. Wunderbare. Die Sieben ist noch nicht erfüllt.

Mondvogel

Zurück – für kurz oder lang – wer weiss das schon, nach langer Abwesenheit, in der auch das Passwort für den Einstieg zwischen die Ritzen gefallen ist… seit Anbeginn dieser Notizen schwankend, was Sinn macht und was lediglich Zeit frisst und doch ab und zu auch erfreut, weil das eine oder andere auf diese Weise festgehalten und nochmals lesbar ist.
Im Garten des Wunderns und der täglichen Dankbarkeit ist dieser Falter aufgefallen, bis dato unbekannt. Das Netz bietet hier gute Dienste, es ist ein Mondvogel aus der Familie der Zahnspinner. https://de.wikipedia.org/wiki/Mondvogel
Ihn zu bestimmen erinnerte die Gärtnerin an ihr einstiges Vorhaben (zugegeben: etwas spleenig): sie träumte davon, eine Art Pflanzenkataster zu erstellen und dabei alle auf dem ihr zur Verfügung stehenden Grundstück wachsenden Pflanzen zu erfassen und in die „botanische Ordnung“ zu stellen. Die Betrachtung eines winzigen Ausschnitts zeigt etwas von den Dimensionen, die ein solches Vorhaben annehmen würde. Die Idee dazu entstand einerseits aus der Motivation, alle Pflanzen zu kennen, sie richtig benennen und einordnen zu können, andererseits auch aus dem Staunen über die Vielfalt. Während viele Landschaften einfach ausgeräumt sind, ist hier ein wunderbarer Gartenkosmos entstanden, ein Ort, an dem sich Viele und Vieles wohlfühlt. Pflanzen, Tiere und Menschen.
Vermutlich wird anderes dringlicher sein als dieses Wunschvorhaben. Ganz aufgegeben ist es (noch) nicht.

 

Korsika-eine Fotostrecke

Kindermund

Heute in einem städtischen Laden. Ich stehe in der kurzen Schlange vor der Kasse, ein Bub mit dunkler Haut und fröhlich leuchtenden Augen zupft an meinem Mantel. Er zeigt mir seinen durchsichtigen Plastiksack mit einem Gipfeli. Die Freude darüber scheint gross, seine Mama habe ihm das gegeben, erklärt er in einem Gemisch aus Dialekt, fremder Sprache und Hochdeutsch. Seine kleinere Schwester tut es ihm nach, ich frage die beiden, wie sie heissen. Er nennt seinen Namen und streckt mir 5 Finger entgegen. Die kleine Schwester sagt ihren Namen und hält drei Finger hoch. Dann frage ich, und wie denn der kleine Bruder, der im sportlichen Kinderwagen liegt, heisse. Der, der sei neu, sagt der 5-jährige…