Trotz-dem zum Zweiten

Es empfiehlt sich, dieses in Walserdeutsch gehaltene Gedicht laut zu lesen. Bernadette Lerjen-Sarbach schrieb es in einer Zeit, in der sie um ihren verstorbenen Partner trauerte. Auch ohne einen so herben Verlust sind in diesen Tagen viele alleine, real oder mit ihren Ängsten.

Am Morgu
säg i mr sälber Güeten Tagg!
Und am Aabund
chlopfu mr sälber uf d Aggsla
Das hesch güet gmacht
oder äbu nit


aus: Di Poort wäri offni. Bernadette Lerjen-Sarbach.
Walservereinigung Graubünden 2004

Trotz-dem zum Ersten

Milane und Bussarde fliegen, ein Buntspecht ebenfalls, im Garten ist in jeder Ecke und auf jedem Fleck unbeirrtes Drängen ans Licht und ins Wachsen zu beobachten, die Wildbienen tanzen von Blüte zu Blüte, die Schreiberin hat aufgehört, stündlich Zahlen, Vermutungen und Aussichten zu erfahren.
Das Jetzterleben eine ungeahnte Verdichtung: persönliches Erleben und die Ereignisse im Aussen verzahnen sich auf eine nie gedachte Art, latent ist da ein Gefühl, im unguten Traum zu sein. Aufgewacht. Viele Gespräche mit Menschen – alle am Telefon – (da spricht sich oft leichter) obwohl die Schreiberin am liebsten, na was wohl…. In den Gesprächen tauchen Ängste auf, Sorgen und Befürchtungen. Unsicherheit und die Frage, was da noch alles kommen könne. Mutmassungen und Hypothesen, Gedanken zur Moral.

Lebenskraft auch. Krautige Energie. Gut.

Die Herznahrung der Schreiberin. Lichtblicke am Tag eins.

Lieblinge: Chilipflanzen


Sturm und Drang

Poststurm über den Hügel wandernd, auf der Suche nach den Zeichen des Frühlings, der diesjahr so viel mehr ist als ein Frühling sonst, so also unterwegs, trifft die Hügelgeherin diese entwurzelten Lärchen im ohnehin schon dezimierten Kleinwald. Nun, es ist zu hoffen, dass Baumliebe und Vernunft den Ausschlag geben für Nachwuchs und Erhalt.

Balsam für die plangende Frühlingsseele fand sich auch. u.a. die Knospen der Päonien, dieses jährlich wiederkehrende Wunder der langjährigen Begleiterin…

 

helmikuu

Aufgewacht in einen traumhaft schönen Wintermorgen – sagt die Schreiberin, die sich immer (noch) als Sommerfrau bezeichnet. Die aufziehende Morgensonne, Schneehügel lichtkosend, zunehmend verwandelt sich die Landschaft in ein grosses Glitzern, in der Luft rosablaue Färbungen, der Himmel eine Bläue, in der zu versinken sich anbietet, schön, ganz einfach schön. Die Finnen, – irgendwo scheint sich das was anzubahnen – die Finnen also nennen den Februar helmikuu, was so viel heissen soll wie Perlenmonat. Passt!

Ostwärts – eine Rückschau

Winter ist Vorreisezeit oder Zeit für Kopfreisen – sorgsam wollen die karg zur Verfügung stehenden Ferientage des neu angebrochenen Jahres eingeteilt und geplant werden. Zeit aber auch für eine Revue auf die Ostreise des vergangenen Jahres. Ostreise ?  Ja….unser Entscheid, eine Region in Ostpolen an der weissrussischen Grenze zu besuchen und zu erkunden, stiess auf oftmaliges Nachfragen. Sowenig wie wir konnten die Bekannten Ostpolen als Feriendestination einordnen. Uns war es ernst, und wir hatten zudem guten Grund, da in jener Region bekannte, aus hiesiger Enge Ausgewanderte einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb bestellen. In loser Folge also ein paar Kurzberichte von Erlebtem, Gesehenem und Er-fahrenem anlässlich dieser ungewöhnlichen Reise, die doch oftmals auch während des jetzigen Alltags immer wieder Bilder zu Kopfe steigen lässt.

Am Morgen des 31. August ist der „Moritz“ mit dem Nötigen beladen, um uns gute 14 Tage grösstmögliche Unabhängigkeit zu ermöglichen. Wir haben beschlossen, in einigermassen flottem Tempo bis in die Nähe von Dresden durch die Weiten unseres Nachbarlandes zu fahren. Wir schaffen es mit den unvermeidbaren Kaffeepausen, anlässlich der einen wir noch den Apfelvorrat aus Wildsammlung anreichern können, bis rund 40 Kilometer vor Dresden, wo wir einen einfachen, unspektakulären Übernachtungsplatz neben einem offenbar unbefahrenen Schmalspurbahntrasse finden. Wahrscheinlich heute nur noch eine Nostalgiebahnstrecke von Nossen bis Freiberg. Mit Sichtungshunger auf die  Stadt Dresden ungestörte Nachtruhe tief im Sachsenland –  zu unserer Kindheit noch hinter dem eisernen Vorhang in der DDR.

 

 

Dem Trend entgegen

Mit Feuerwerk (man darf sagen mit weniger als auch schon), mit viel politischem Getöse, von Mauerbau bis Gelbwesten und nun auch noch mit der weiss und reich befrachteten meteorologischen Grosswetterlage, bemüht sich das neu erblühende Jahr schon in den ersten Wochen, einem in den Strudel von Aktivismus und allgemeiner Verunsicherung zu ziehen.
Da gelüstet es mich, diesem Trend etwas Ruhendes und Sinn – bildliches gegenüber zu stellen.

Zeitgenössischer – der Zeit angepasster, meine Sinne nicht beleidigender Architektur, mit Interesse und Neugier begegnend, sei an dieser Stelle als Eintrittspforte zum neuen Jahr die Kapelle auf der Alpe Vordere Niedere bei Adelsbuch im Bregenzerwald kurz vorgestellt.
Die Kapelle wurde auf 1600 m Höhe auf erwähnter Alp aufgrund eines Versprechens der Bewirtschafterfamilie erbaut.
Die Frau erlitt eine Fehlgeburt ihres ersten Kindes. Darauf gelobten die Eltern, im Falle der Geburt eines gesunden Kindes auf der Alp eine einfache Kapelle zu errichten. Ein gesundes Kind kam zur Welt und 2007 schrieb die Familie einen Architekturwettbewerb aus, dem Gewinner winkte ein Preis von 3 Laib Käse aus der alpeigenen Sennerei. So „dramatisch“ die Entstehungsgeschichte, so unaufgeregt der schlichte und in seiner strengen Einfachheit beeindruckende Holzbau. Die Kapelle ganz in Holz aus der nahen Umgebung mit einem schmalen Lichtband, das den Altar illuminiert, ruht auf einem Natursteinfundament an der Kante des jäh abfallenden Hanges und richtet den Blick in die Weiten des Bodenseeraumes.

So gekonnt einfach, kann ein Bau dem Be – suchenden Ruhe, Bescheidenheit, und Achtung vor handwerklichem Geschick nahe bringen und so zu einem guten, besonnenen Einstieg für das 2019 werben.

Das Leben nicht verstehen

Biebrza-Flusstal, Ostpolen 2018

Hier soll wieder ab und zu eine Wortmeldung sichtbar werden, die Lyrikleserin kommt nicht umhin, mit einem Gedicht ins noch junge Jahr zu starten:

Du musst das Leben nicht verstehen

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

Rainer Marika Rilke