Archiv des Autors: Lisa Tralci

ARGAblog: Ein Zuckersäckchen

 

Hoffnungsvolle Gewohnheit: ins oder aus dem Haus gehe ich nie, ohne die Briefkastenklappe zu öffnen und ins Halbdunkel zu äugen . . . auch wenn die zustellenden Postangestellten nur noch einmal am Tag vorbeikommen, könnte es ja schliesslich sein, dass irgend jemand ein Couvert, einen Umschlag, eine Karte oder vielleicht auch nur ein Blatt Makulatur mit einem Gruss, eine karierte Seite aus einem Notizblock, ja vielleicht die mit einem Spruch bedruckte Seite eines Zuckersäckchens in meinen Kasten gelegt hat. (Dies ist, um genau zu sein, noch nie geschehen.)
Den elektronischen Möglichkeiten keineswegs abhold, empfinde ich mir zugedachte Mitteilungen in handfassbarer Form immer noch als etwas Besonderes: Papier in all seinen Varianten, Handschrift und spezielle Briefmarken… von Reisespuren und vom Knistern eines gefütterten Couverts nicht zu reden… 

Heute, um 17.27 h, drei Fundstücke aus dem Halbdunkel geholt: einen handgeschriebenen Brief und zwei Karten!

Ich möchte sie nicht missen, die haptischen Preziosen der Schriftlichkeit im öffentlich angeschriebenen Briefkasten. Und ich will mir dann und wann Zeit nehmen … Sie wissen ja – wötsch en Brief . . .

 

ARGAblog: Montag

Im übervollen Bus an den Abendstrand gespült, die fastletzten Tagpflichten ausgeführt bevor eben dieser Pflicht ein paar Brosamen Kür folgen. Kür ist Musik, sind Worte – geschrieben und gesprochen – und die Feststellung, dass der Stapel der ungelesenen Bücher parallel zur Liste der zu erwerbenden Bücher anwächst. Mag sein, dass sich in den Gefässen der Hörchronistin Partikel fremder Lebensleidgeschichten nur langsam abbauen, Retardwirkung sozusagen…

ARGAblog: Grauschleier

Graufeuchte Schleier ziehen um den ARGA-Hügel und von den Lärchenästen fallen feine Tropfen. Die Gartenarbeit lässt sich mit Faserpelz und Schal trotzdem erledigen. Im nahen Lärchenwäldchen hat der Fuchs ein Perlhuhn verspiesen und für mich sind ein paar schöne Federn übrig geblieben. Die Herbstin geht bald durchs Land, Zeit um sich abends am Feuer zu wärmen. Hier knistert Lärchenholz und wärmt nicht nur die BewohnerInnen sondern gleichzeitig das Wasser. Momo – so heisst der Holzofen, der eine Wärmepumpe unterstützt – macht wenig Asche, trotzdem die Frage: wie wird diese innerhalb des Grundstücks sinnvoll verwendet? 

 

 

ARGAblog: Hörner

 

„Horn“ nannte sich der Demobeitrag des Webmasters, Hörner sind hier auf ARGA ein Thema – auf der Weide beim Hauseingang sind die Felltiere hornlos, jene vor dem Hausgarten tragen sie – stolz und vollständig. Unschwer zu erraten, dass ich letzteres favorisiere. Warum und weshalb ist noch zu erörtern und (heilige – im metaphorischen Sinne) Kühe im allerweitesten Sinne werden unter anderem  immer wieder mal Blogthema sein. Hier so quasi als Auftakt zu dieser – noch nach Absichtserklärungen ringenden – Mitteilungsform:

 

 

Fragment 2: 19.März 2009

Ein Feld, in dem sich ein trauriger Verlust abzeichnet – seit längerem – ist jenes rund um unsere Nahrungsaufnahme – sinnlicher gesagt, ums Essen. Dass es dabei nicht nur ums Essen an sich geht, liegt auf der Hand. Das Ganze ist eingebettet in eine Kette von Absurditäten, an deren Ende Tüten, verschweisste Packungen, Instant und Abfallberge liegen. Neben der Unfähigkeit, Gutes von Schlechtem zu unterscheiden, seine Sinne zu schärfen, gerechte und gesunde Anbaumethoden zu unterstützen und … leider … auch der Unfähigkeit, zu geniessen. Meine These zum Desaster: es gibt eine sehr grosse Gruppe von Menschen, die jeglichen Bezug zur Herkunft der Lebensmittel verloren haben, ihre Geschmacksnerven kaum ausgebildet haben, keine Zubereitungsmöglichkeiten kennen und vor dem Kühlschrank und TV irgendetwas verzehren. Dass das in den meisten Fällen mehr als zweifelhafte Produkte mit Mitweltfolgen (industrielle Fertigung, „Anreicherung“ durch chemische Stoffe, ökologische Sünden, keine wirkliche Sättigung, Folgeerkrankungen etc.) sind, macht diese Entwicklung mehr als bedenklich.

Ich schildere jahrelange Beobachtungen (u.a. aus Arbeitsfeldern) – ein Blick in viele Einkaufskörbe und die Gestelle der Anbieter bestätigt immer wieder meine Vermutungen: da werden Dinge gekauft und verspiesen, die einem einigermassen natürlich lebenden/denkenden Menschen die Nackenhaare sträuben lassen. In Beuteln werden fertige Menüs verkauft, Saucen und Salate. Im gefrorenen Bereich gibt es von irgendwo aus der Welt aus den Netzen der alles ausräumenden Beutejäger einfach alles – teilweise zu Spottpreisen. Dasselbe gilt für Fleisch-und Geflügelteile die vermutlich unter grausligsten Bedingungen gehalten, tot und gefroren durch die Welt fliegen, um in die Schlunde nichts denkender Esser zu wandern. In Tüten werden Snacks, Chips und Süssigkeiten angeboten, die strotzen vor Geschmack und Farbe. Aufgrund der Zusammensetzungsliste darf frau annehmen, dass da ein williges Grundmaterial unklarer Herkunft (Soja? Sägmehl?) mit Aroma bestäubt (Speck, Paprika, Provence und wie die Werbefritzen und Foodchemiker das nennen) verwendet wurde, noch toll Farbe und Haltbarmacher dazu, Kinderherz was willst du mehr…? Im Gemüsebereich werden bestenfalls Tomaten, Gurken und Peperoni verwendet, natürlich 365 Tage lang, Hors-sol sei Dank. Wer weiss denn noch, wie eine sonnenreife Tomate schmeckt???

Da werden zum Frühstück sogenannte Cerealien gegessen: nein, was denken Sie, gewiss keine Schweizer Haferflocken oder Dinkel – nein das Grosspaket des Herrn Kellogg und seiner Kumpane… völlig denaturierte Kleisterbrösel, übergossen mit einem Zuckercouleur, das sich Honig nennt und von dem die arg bedrohten Bienen soweit entfernt sind wie ich vom Mars… darüber kommt UHT-Milch und wenn niemand einschreitet, auch noch weisser Industriezucker. Es geht weiter: wenn nicht die Schule vorschreibt, was zum Znüni mitgekommen wird, kann es ein Wattebrötchen mit Nutella sein, neben den farbigen Snackbeuteln, süssem Eistee etc. Mittagessen muss schnell gehen, es bieten sich vorgefertigte Teigwarengerichte an, eine Fertigpizza, Fertigsalat und Hamburger aus dem Gefrierer. Abends bleibt die Küche kalt – wirklich warm war sie ja nie – Wurstscheiben, Schoggipudding,Industriebrot, Schmelzkäse … Neben der Tatsache, dass viele der angebotenen Nahrungsmittel – ich sage bewusst nicht Lebensmittel – unnatürlich sind und die oben erwähnten Folgen haben, schmerzt die Tatsache, dass das gemeinsame Essen am Tisch mit vorgängiger Lockung der Verdauungssäfte durch den Kochgeruch in vielen Lebensgemeinschaften verloren gegangen ist, dass die Fähigkeit, Gerichte aus natürlichen Produkten herzustellen, nicht mehr weitergegeben wird, dass die Kenntnisse des Anbaus, der jahreszeitlichen Folge (was hat wann Saison), die Ökologie und die Unterstützung der einheimischen Produzenten verloren geht. Dem Argument, dass anders einkaufen (gesunde Grundprodukte, möglichst aus einheimischer Produktion und ab und auch importierte Fairtrade-Produkte) zu teuer sei, kann ich nicht folgen. Wenn ich so in Einkaufskörbe schaue – ich tue das oft und überlege mir, wie da wohl gegessen wird – dann braucht es keine grossen Rechnungskünste um festzustellen, dass wenn all die Verpackung und Werbung weg ist, nicht mehr viel bleibt und v.a. nichts Nährendes, Wertvolles. 

Es ist eine Art Spagat (und der geht nicht nur in diesem Bereich durch die Gesellschaft – hier zeigt er sich vielleicht noch etwas offensichtlicher): einerseits wird Kochen und Essen zelebriert (Kochsendungen, Bücher, angesagte Köche, de-luxe-Produkte die ihren Preis nicht wert sind usw.), Menschen, denen gute Grundprodukte wichtig sind und die bereit sind, gerechte Preise zu bezahlen (und vielleicht auf anderes zu verzichten) und daneben eine immenses Angebot an – verzeihen Sie, „Schrott“ – und Konsumenten, die der Werbung folgen, unkritisch kaufen und nicht mehr wissen, wie eine Suppe zu kochen, eine weisse Sauce herzustellen oder ein Brot zu backen wäre. Und die es aufgegeben haben, als Gemeinschaft an den Tisch zu sitzen und genussvoll auch ein sehr einfaches Essen, gutes Brot und guten Käse zum Beispiel – zu essen und davon dann auch wirklich gesättigt zu sein.

Fragment 1: 1. März 2009

 

In der Radiosendung „Echo der Zeit“ wird über eine Selbsthilfegruppe japanischer Ehemänner berichtet. Sie lernen in mehrstufigen Programmen, ihre Gefühle auszudrücken, sich ihren Frauen gegenüber zu engagieren und so vielleicht die eine oder andere Scheidung zu verhindern. Stufe zehn ist erreicht, wenn der Mann sich traut, seiner Frau zu sagen: „I ha dii gärn“ (japanisch natürlich). Ob sie auch lernen, Gefühle wirklich wahrzunehmen und eben nicht nur trainieren, etwas auszudrücken, habe ich nicht gehört.
Es lächelt sich leicht über solche Praktiken, die vermutlich mehr aussagen über Sozialisierung, Werte einer Gesellschaft und das Abwürgen eines wichtigen Teils des Menschseins. ABER: wohin steuern wir? Wenn ich mich umsehe, fallen mir einige Punkte auf, die in bedenkliche Richtungen weisen. Sind Menschen, die mehrere Stunden täglich vor der Flimmerkiste verbringen oder jahrelang ihre Ohren und ihr Hirn vollstopfen mit aggressiv aufgeladener Musik noch empfänglich für die leiseren Töne, das Zarte, die Feinheiten der Sprache zum Beispiel oder das langsame Verschwinden einzelner Tierarten, Pflanzen oder bestimmter Kulturtechniken? Oder was ist zu denken zu all den jungen Menschen, die mit leeren Gesichtern und ohne elterliche Sorge und Grenzziehung ins Leben torkeln? Zu Arbeitgebern die ihre vervielfachte Pension längst im Trockenen haben und jetzt wieder einmal ein Angstklima schaffen, auf dass keiner und keine aufmucke und die eigene Meinung sagt? Was für Menschen quälen ihnen anvertraute Demente? Von all den subtilen Mechanismen der Einflussnahme durch Verbandelungen, gestrafftes Zeitungsangebot, politische Päcklis undsoweiterundsofort will ich gar nicht beginnen.

Im Denken des Durchschnittsmainstreamers sind all jene suspekt, die frei zu gestaltende Zeit vor Geld und Konsum setzen. Wer Kiesel ins Konsumrädchen wirft, nachfragt oder sogar einmal das Wort Verzicht benutzt, ist gefährlich. Wir stehen kurz davor, einiges endgültig zu verlieren und verarmt in eine ungewisse Zukunft zu gehen. Darüber bei Zeit neue Fragmente . . .

 

Bodoni Poesieblatt: Die Lichtfängerin

 Die Lichtfängerin

An der Wäscheleine flattern meine Häute
die Lanugohaut und die meiner ersten Liebe
jene, unter der meine Kinder schwammen
neben der mit den feinen Rissen
die Landkarte, über die deine Finger strichen und
das zu eng gewordene Kleid

An der Wäscheleine flattern meine Häute
sie sind mir vom Leib gefallen
im Morgengrauen und beim höchsten Sonnenstand
im Spiegel meines Auges hast du sie durchlöchert
meine Nägel haben sie vom Leib gekratzt und
jede dem Wind geweiht

Die letzte wünsch ich mir
karminrot, lichtgebadet und geschmeidig

Die letzte wünsch ich mir

(LT)

Der Waldgut Bodoni Verlag schreibt über seine Bodoni Poesieblätter:

«Besser ein guter Text an der Wand als ein schlechtes Bild im Schrank.» – Warum umgeben wir uns zu Hause nicht mit guten Texten, guten Gedichten? Für Araber sind Kalligrafien der Heiligen Texte Bilder, Chinesen und Japaner schreiben Texte in die Bilder oder lassen die Texte ohne Bild wirken. Auch wir haben schöne Schriften; die alten Bleischriften zum Beispiel, die noch nicht auf pflegeleicht gestylt sind und oft eine eigenwillige Charakteristik ausstrahlen. Wir möchten dem Text eine gute Umgebung verschaffen, ihm vielleicht einige Akzente dazugeben – jedes Blatt soll eine Überraschung sein, ob im Reichtum des Aufwandes oder in der Kargheit der verwendeten Mittel. Prosatexte, Gedichte zum Schauen/Lesen. Von Hand mit Bleischriften gesetzt, von Hand abgezogen auf schönes Papier, Maschinenbütten, rein Hadern oder auch mal auf interessante Recycling-Papiere gedruckt. Jede Farbe ist ein Durchgang. Wenn für einen Text zu wenig Schrift vorhanden ist, bedeutet das für eine Farbe mehrere Durchgänge. Die Auflagen sind klein, 15 bis etwa 200 Exemplare. Von jedem Blatt machen wir 33 (teilweise auch 55) nummerierte, von Gestalter und Drucker (oder Autor/Autorin) signierte Exemplare, die sind meist auf noch schöneres Papier oder mit noch mehr Farben gedruckt. Die Farben werden von Hand auf die Verteilwalzen aufgetragen, so dass jedes Blatt ein individuelles ist. Manchmal verändern wir während des Drucks die Farben. Wir können bis zum Format 50 cm x 70 cm drucken. An einem Blatt arbeiten wir etwa eine Arbeitswoche, manchmal auch länger. So ist es klar, dass die Blätter nicht gerade wie Plakate an die Wand genagelt oder geklebt werden; ein anständiger Wechselrahmen lohnt sich da schon.“

Hier entstehen neben besonderen Büchern die Poesieblätter

Die Lichtfängerin (Text siehe Home)
Format: ca. 50 x 70 cm, Papier Plano Book sihl und eika, 120g (für die signierte Ausgabe my 360 SEND me, Antalis gerippt, elfenbein, 160 g), neun Druckfarben.

Preise und Bestellungen www.waldgut.ch