Nomaden

Von Wind und Wetter gehärtete, braungebrannte Menschengesichter tauchen als Bild auf, wenn von Nomaden die Rede ist. Und die Gedanken drehen sich um ein wanderndes Hirtenvolk, das in einer kargen Sand- und Steppenlandschaft nach Nahrung und Wasser für sich sowie sein Vieh sucht, und da dann vorübergehend seine Zelte aufschlägt. Eine romantisch anmutende Lebens- und Kulturform erscheint im ersten Moment auf, doch schnell kommt die Einschränkung: Romantik ja, aber wohl nur auf Zeit.

Schwer einzustufen bleibt, ob das Wort «Nomaden» mehr positiv oder negativ zu besetzen ist. Da macht sich das Gefühl von Freiheit, Zeit haben, ein- vernehmlichem Leben mit der Umwelt, Ruhe und innerem Frieden breit. Doch im gleichen Atemzug denkt man an Entbehrung, Abgeschiedenheit, andauernden Überlebenskampf für Mensch und Tier. Für uns eine erstrebenswerte Lebens- und Kulturform – doch höchstens als Ferienerlebnis!

Weinberg

Auslöser: Das Wort Weinberg bringe ich mit einer fröhlichen Menschenrunde zusammen. Nach getaner Arbeit im Rebberg den Feierabend geniessen, zufrieden mit der Ernte – dem Wimmet – und schon fliesst in Gedanken ein herrlicher Tropfen durch die Presse, schlussendlich in die Flaschen.

Als Zweites bringe ich den Weinberg mit der biblischen Geschichte aus meiner Jugendzeit in Zusammenhang. Nur mit Einsatz, Hege und Pflege erreicht man das gewünschte Ziel. Die Winzer hoffen täglich, dass kein Sturm oder Hagelwetter die Ernte zunichte macht. Wir Menschen können auch nur dank Pflege, liebevollem Begleiten, gestützt werden, einst Früchte tragen – analog zum Weinberg.

Lebensqualität

Hiesse es  Schande oder Fairness, das mir zugedachte Wort; hiesse es  Heimat oder Konjunktur, ich wüsste ebenso wenig Rat. Im Gegensatz zu Wörtern wie  Schwester oder Lebertran, da wär Auskunft leicht zur Hand; auch zu mundartlichen Appellen wie «schaad!» oder «Wonderfitz!», auch zu Flurnamen wie  Najenriet oder  Steingacht (Martin Hüsler bespricht sie der Reihe nach im Appenzeller Magazin), da wären Überlegungen rasch auf der Zunge …

Das mir zugewiesene Wort lautet aber Lebensqualität. Ein Wort für alles und jedes. Ein Wort für nichts. Also wertlos. Solche Vokabeln fallen zwischen zwei Menschen so gut wie nie, bedeuten zwischen Autor/Redaktorin in ihrer pp. Leserschaft so gut wie nichts. Es leben ja auch Moose, Birken, Eichhörnchen und Isländerinnen. Was wäre je ihre Qualität? Worin bestünde die Qualität je ihres Daseins? – Gerechte Anteile Trockenheit beziehungsweise Feuchtigkeit für die Moose! Nicht tief im Kalenderjahr nochmals schwer belastenden Schneefall, der die Baumkronen zerlumpt! Für Eichhörnchen Tannzapfenfülle im Spätherbst – und ein bleibend gutes Gedächtnis für die diversen Vorrats-Verstecke! Rund um die Insel Island Schonmeilen für Fischgewässer – und Rücksicht, viel lieber noch Dosierung der Touristen-Meute … Ich bin – Sie lesen es – gegen Bausch-Wörter, Imponier-Vokabular, Worthülsen voreingenommen!

Liebeserklärung

Eine Erklärung wird dann in Betracht gezogen, wenn es Klarheit zu schaffen gilt. Sie gibt Aufschluss über einen Sachverhalt, zu dem Fragen offen waren. Eine Erklärung richtet sich demnach an einen Menschen, der im Ungewissen war, ja, den möglicherweise gar Zweifel plagten. Manchmal lassen es die Umstände angezeigt erscheinen, dass auch Liebe erklärt sein will. Man spricht dann von einer Liebeserklärung. In meinem Empfinden allerdings mangelt es der Liebe, die erst erklärt werden muss, an einem wesentlichen Element: an der unerlässlichen Bedingungslosigkeit nämlich, die keiner Erklärungen bedarf. Wer also glaubt, sich über eine Liebeserklärung verständlich machen zu müssen, nimmt in Kauf, dass Worte den Gehalt dieser Liebe allenfalls schmälern könnten, dass sie sozusagen auf eine Ebene der Sachlichkeit verlagert wird und so des wunderbar Unerklärlichen verlustig geht. Ich bin der Ansicht, Liebe bedürfe keiner Worte, sei nicht erklärbar – sie erkläre sich aus sich selber.

Hände

Der Bauerndichter Alfred Huggenberger hat die Bedeutung der Bauern-Hände in einem Vers wie folgt festgehalten:

«Es lebt kein Fürst so hoch im Land, er nährt sich von des Bauern Hand.»

In der «guten alten Zeit», die der Schreibende in jungen Jahren noch miterlebt hat, war Bauern-Arbeit zum Zwecke der Produktion unserer Grundnahrungsmittel noch weitgehend Hand-Arbeit. So wurde das Getreide von Hand gesät, während Jahrhunderten mit der Sichel, später mit der Sense gemäht, von Hand in Garben gebunden und mit dem Flegel gedroschen; das Gras mähte man mit der Sense, bearbeitete es mit Gabel und Rechen und trug es im Berggebiet als «Heuburdi» unter Dach; die Milchgewinnung erfolgte mittels drei verschiedener Melk-Methoden: Je nach Geschicklichkeit des Melkers und der Zitzenform des Euters wurde «gehampfelt, geknödelt oder gestrippt».

Und so wurden noch andere auf dem Bauernbetrieb anfallende Arbeiten von Hand erledigt, das heisst der Bauer war damals ein Hand-Werker im eigentlichen Sinn des Wortes.

Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte eine rasante Mechanisierung der landwirtschaftlichen Arbeiten. Die Maschinen ersetzten allmählich vieler Hände Arbeit. Vor allem schwere und oft wiederkehrende Hand-Arbeiten wurden fortan maschinell erledigt. Die Hände erhielten eine andere Funktion: Man brauchte sie fortan zur Bedienung der Maschinen und Geräte. Hiezu braucht es nicht mehr unbedingt starke, dafür aber «intelligente» Hände.

Die Hände sind zwar ein geschicktes Werkzeug für die verschiedensten Tätigkeiten, sind uns aber nicht nur zum Arbeiten gegeben. «Ora et labora», ein alter Sinnspruch, heisst «bete und arbeite». Also falten wir auch in der Hektik unserer Zeit die Hände zum Gebet, dann wird unserer Hände Arbeit – gleich welcher Art – eine gesegnete sein.

Emotionen

Das Wort «Emotionen» löst bei mir folgende Bilder aus: Sturmwellen, lodernde Feuer, heftige Winde, Gewitter mit gezackten Blitzen. Es sind heftige, bewegende (das Latein lässt grüssen …) Gefühle, die ein Ventil suchen und abrupt ausbrechen können. Solch ein «Gewitter» kann eine reinigende, ja sogar befreiende Wirkung haben. Man spürt am ganzen Körper und in der Seele, wie sehr man lebendig ist und mitfühlen kann. Leider können aber Emotionen auch negative Auswirkungen haben, wie aktuelle Beispiele in Form von «Spuckaffären» im Fussball oder vor Gericht gezeigt haben. Unser Zusammenleben wäre aber um einiges langweiliger, wenn alle unsere Reaktionen vom Verstand her geleitet würden. Emotionen gehören zu unserem Leben und gerade sie machen unser Dasein spannend, unberechenbar und damit interessant.

Mitreden

Ich rede, andere reden, eigentlich reden wir alle. Aber reden ist leider nicht gleich mitreden. Obwohl heute beides meist nur Blabla ist. Besonders mitreden nur mit Reden! Wo bleibt bei den mit Reden Mitredenden das Mitmachen? Das empfehlen die anderen, die vielleicht gerne mitreden – und auch mitmachen – würden, die es aber nicht können, weil ihnen der Zugang zu Presse, Funk und Fernsehen fehlt oder verwehrt wird. Dieser Zugang bleibt den mit Reden Mitredenden vorbehalten. Und solange das so ist, können sich die mit Reden Mitredenden das Denken sparen. Da genügen Schlagworte, Illusionen und Versprechungen an die mitreden nicht Dürfenden. Und deshalb fühlen sich die nach Mitdenken mitreden Wollenden sehr einsam. Diese wollen wirklich mitreden, aber nicht über die Biegung der Bananen oder das grüne Aussehen der Gurken – wobei ich natürlich die Gurken aus dem Garten meine. Doch, im Ernst, wie kann sich das Mitreden – nach Mitdenken und gefolgt vom Mitmachen – durchsetzen? Ich weiss es nicht. Wissen Sie es? Oder wäre es für Sie zu anstrengend?

Widerstand

Widerstand ist – in der Elektrizitätslehre – eine Grösse; auch das entsprechende Bauteil. Widerstand als Grösse. Berechenbar. Messbar. Als Bauteil ganz konkret fassbar. Der Widerstand der Psychoanalyse ist nicht messbar. Freud definiert ihn als Abwehr gegen das Bewusstmachen unangenehmer, psychischer Inhalte. Er unterscheidet fünf Normen von Widerstand. Widerstand ist selten unbegleitet: Luftwiderstand, Widerstandsrecht, induktiver Widerstand, Widerstandsbewegung, passiver Widerstand. Widerstand birgt ebenso positive wie negative Inhalte: Widerstand gegen ein Regime. Terroristen verstehen sich als Widerstandskämpfer. Ghandis passiver Widerstand als Beweis menschlicher Grösse. Widerstand gegen Bevormundung und Unterdrückung. Widerstand ist eine Kraft, welche die Bewegung eines Körpers hindert und kann als solche nützlich sein – im Fitnesscenter für den Trainierenden wie den Betreiber des Centers. Und mir widerstanden ganz einfach die ewiggleichen, trockenen Salzkartoffeln, die ich als Kind schlucken musste.

Fragezeichen

Den Menschen fällt es oft schwer, die Fragezeichen des Lebens auszuhalten, sei es in Kultur, Politik, Religion und/oder Wirtschaft. Schwache Menschen klammern sich deshalb vielfach an Systeme, simple Welterklärungen oder Führer, die alles zu wissen vorgeben. In der direkten Demokratie ist das Volk das oberste Organ. Mein Fragezeichen gilt genau dieser, unserer viel gerühmten direkten Demokratie. Die Demokratie ist zwar alt, wir haben bereits deren 700-jährigen Bestand gefeiert; genügt aber ALT um gut zu sein? Als Beispiel nehme ich Appenzell Innerrhoden mit seiner traditionellen Institution: Der hochwürdigen Landsgemeinde. Alle Jahre wieder wird vom Landsgemeindestuhl, von welchem Landammann auch immer, die direkte demokratische Wirkungsmöglichkeit des Bürgers hochgelobt. Benützt ein Bürger aber sein politisches Recht und es gefällt der Obrigkeit nicht, bekommt er es zu spüren!? Meine Fragezeichen: Warum benützt das Volk seine Rechte nicht mehr? Warum ist das Volk nicht mehr in der Opposition?

Echo

Bei einem Besuch einer einsamen Kirche im Süden Frankreichs ermunterten mich meine Reisebegleiter, einen Naturjodel zu singen. Als eher ungeübte Allein-Sängerin begann ich etwas verkrampft meinen Vortrag und musste einen zweiten Versuch starten. Ich liess mich zu sehr von meinen Gefühlen leiten und achtete nicht auf die Akustik des Raumes. Das Echo meiner eigenen Stimme holte mich ein und zwang mich, meinen Eifer zu zügeln und das Tempo und die Lautstärke den Gegebenheiten anzupassen.

Und so erfahre ich es auch ab und zu im Leben, in der Kommunikation mit den Mitmenschen im Alltag. Ich gerate unverhofft in Situationen, in denen ich ganz genau weiss, was zu tun wäre, um die Harmonie zu erhalten oder wieder herzustellen: Ruhe, Sorgfalt und Verständnis sind gefragt … und dann geht halt doch das Temperament mit mir durch! Und bin erstaunt über das Echo, das mich mit voller Wucht trifft. «Wie man in den Wald hinein ruft, so tönt es heraus.»