Im übervollen Bus an den Abendstrand gespült, die fastletzten Tagpflichten ausgeführt bevor eben dieser Pflicht ein paar Brosamen Kür folgen. Kür ist Musik, sind Worte – geschrieben und gesprochen – und die Feststellung, dass der Stapel der ungelesenen Bücher parallel zur Liste der zu erwerbenden Bücher anwächst. Mag sein, dass sich in den Gefässen der Hörchronistin Partikel fremder Lebensleidgeschichten nur langsam abbauen, Retardwirkung sozusagen…
Archiv der Kategorie: Zeitgedanken
ARGAblog: Grauschleier
Graufeuchte Schleier ziehen um den ARGA-Hügel und von den Lärchenästen fallen feine Tropfen. Die Gartenarbeit lässt sich mit Faserpelz und Schal trotzdem erledigen. Im nahen Lärchenwäldchen hat der Fuchs ein Perlhuhn verspiesen und für mich sind ein paar schöne Federn übrig geblieben. Die Herbstin geht bald durchs Land, Zeit um sich abends am Feuer zu wärmen. Hier knistert Lärchenholz und wärmt nicht nur die BewohnerInnen sondern gleichzeitig das Wasser. Momo – so heisst der Holzofen, der eine Wärmepumpe unterstützt – macht wenig Asche, trotzdem die Frage: wie wird diese innerhalb des Grundstücks sinnvoll verwendet?
ARGAblog: Hörner
„Horn“ nannte sich der Demobeitrag des Webmasters, Hörner sind hier auf ARGA ein Thema – auf der Weide beim Hauseingang sind die Felltiere hornlos, jene vor dem Hausgarten tragen sie – stolz und vollständig. Unschwer zu erraten, dass ich letzteres favorisiere. Warum und weshalb ist noch zu erörtern und (heilige – im metaphorischen Sinne) Kühe im allerweitesten Sinne werden unter anderem immer wieder mal Blogthema sein. Hier so quasi als Auftakt zu dieser – noch nach Absichtserklärungen ringenden – Mitteilungsform:
Fragment 2: 19.März 2009
Ein Feld, in dem sich ein trauriger Verlust abzeichnet – seit längerem – ist jenes rund um unsere Nahrungsaufnahme – sinnlicher gesagt, ums Essen. Dass es dabei nicht nur ums Essen an sich geht, liegt auf der Hand. Das Ganze ist eingebettet in eine Kette von Absurditäten, an deren Ende Tüten, verschweisste Packungen, Instant und Abfallberge liegen. Neben der Unfähigkeit, Gutes von Schlechtem zu unterscheiden, seine Sinne zu schärfen, gerechte und gesunde Anbaumethoden zu unterstützen und … leider … auch der Unfähigkeit, zu geniessen. Meine These zum Desaster: es gibt eine sehr grosse Gruppe von Menschen, die jeglichen Bezug zur Herkunft der Lebensmittel verloren haben, ihre Geschmacksnerven kaum ausgebildet haben, keine Zubereitungsmöglichkeiten kennen und vor dem Kühlschrank und TV irgendetwas verzehren. Dass das in den meisten Fällen mehr als zweifelhafte Produkte mit Mitweltfolgen (industrielle Fertigung, „Anreicherung“ durch chemische Stoffe, ökologische Sünden, keine wirkliche Sättigung, Folgeerkrankungen etc.) sind, macht diese Entwicklung mehr als bedenklich.
Ich schildere jahrelange Beobachtungen (u.a. aus Arbeitsfeldern) – ein Blick in viele Einkaufskörbe und die Gestelle der Anbieter bestätigt immer wieder meine Vermutungen: da werden Dinge gekauft und verspiesen, die einem einigermassen natürlich lebenden/denkenden Menschen die Nackenhaare sträuben lassen. In Beuteln werden fertige Menüs verkauft, Saucen und Salate. Im gefrorenen Bereich gibt es von irgendwo aus der Welt aus den Netzen der alles ausräumenden Beutejäger einfach alles – teilweise zu Spottpreisen. Dasselbe gilt für Fleisch-und Geflügelteile die vermutlich unter grausligsten Bedingungen gehalten, tot und gefroren durch die Welt fliegen, um in die Schlunde nichts denkender Esser zu wandern. In Tüten werden Snacks, Chips und Süssigkeiten angeboten, die strotzen vor Geschmack und Farbe. Aufgrund der Zusammensetzungsliste darf frau annehmen, dass da ein williges Grundmaterial unklarer Herkunft (Soja? Sägmehl?) mit Aroma bestäubt (Speck, Paprika, Provence und wie die Werbefritzen und Foodchemiker das nennen) verwendet wurde, noch toll Farbe und Haltbarmacher dazu, Kinderherz was willst du mehr…? Im Gemüsebereich werden bestenfalls Tomaten, Gurken und Peperoni verwendet, natürlich 365 Tage lang, Hors-sol sei Dank. Wer weiss denn noch, wie eine sonnenreife Tomate schmeckt???
Da werden zum Frühstück sogenannte Cerealien gegessen: nein, was denken Sie, gewiss keine Schweizer Haferflocken oder Dinkel – nein das Grosspaket des Herrn Kellogg und seiner Kumpane… völlig denaturierte Kleisterbrösel, übergossen mit einem Zuckercouleur, das sich Honig nennt und von dem die arg bedrohten Bienen soweit entfernt sind wie ich vom Mars… darüber kommt UHT-Milch und wenn niemand einschreitet, auch noch weisser Industriezucker. Es geht weiter: wenn nicht die Schule vorschreibt, was zum Znüni mitgekommen wird, kann es ein Wattebrötchen mit Nutella sein, neben den farbigen Snackbeuteln, süssem Eistee etc. Mittagessen muss schnell gehen, es bieten sich vorgefertigte Teigwarengerichte an, eine Fertigpizza, Fertigsalat und Hamburger aus dem Gefrierer. Abends bleibt die Küche kalt – wirklich warm war sie ja nie – Wurstscheiben, Schoggipudding,Industriebrot, Schmelzkäse … Neben der Tatsache, dass viele der angebotenen Nahrungsmittel – ich sage bewusst nicht Lebensmittel – unnatürlich sind und die oben erwähnten Folgen haben, schmerzt die Tatsache, dass das gemeinsame Essen am Tisch mit vorgängiger Lockung der Verdauungssäfte durch den Kochgeruch in vielen Lebensgemeinschaften verloren gegangen ist, dass die Fähigkeit, Gerichte aus natürlichen Produkten herzustellen, nicht mehr weitergegeben wird, dass die Kenntnisse des Anbaus, der jahreszeitlichen Folge (was hat wann Saison), die Ökologie und die Unterstützung der einheimischen Produzenten verloren geht. Dem Argument, dass anders einkaufen (gesunde Grundprodukte, möglichst aus einheimischer Produktion und ab und auch importierte Fairtrade-Produkte) zu teuer sei, kann ich nicht folgen. Wenn ich so in Einkaufskörbe schaue – ich tue das oft und überlege mir, wie da wohl gegessen wird – dann braucht es keine grossen Rechnungskünste um festzustellen, dass wenn all die Verpackung und Werbung weg ist, nicht mehr viel bleibt und v.a. nichts Nährendes, Wertvolles.
Es ist eine Art Spagat (und der geht nicht nur in diesem Bereich durch die Gesellschaft – hier zeigt er sich vielleicht noch etwas offensichtlicher): einerseits wird Kochen und Essen zelebriert (Kochsendungen, Bücher, angesagte Köche, de-luxe-Produkte die ihren Preis nicht wert sind usw.), Menschen, denen gute Grundprodukte wichtig sind und die bereit sind, gerechte Preise zu bezahlen (und vielleicht auf anderes zu verzichten) und daneben eine immenses Angebot an – verzeihen Sie, „Schrott“ – und Konsumenten, die der Werbung folgen, unkritisch kaufen und nicht mehr wissen, wie eine Suppe zu kochen, eine weisse Sauce herzustellen oder ein Brot zu backen wäre. Und die es aufgegeben haben, als Gemeinschaft an den Tisch zu sitzen und genussvoll auch ein sehr einfaches Essen, gutes Brot und guten Käse zum Beispiel – zu essen und davon dann auch wirklich gesättigt zu sein.
Fragment 1: 1. März 2009
In der Radiosendung „Echo der Zeit“ wird über eine Selbsthilfegruppe japanischer Ehemänner berichtet. Sie lernen in mehrstufigen Programmen, ihre Gefühle auszudrücken, sich ihren Frauen gegenüber zu engagieren und so vielleicht die eine oder andere Scheidung zu verhindern. Stufe zehn ist erreicht, wenn der Mann sich traut, seiner Frau zu sagen: „I ha dii gärn“ (japanisch natürlich). Ob sie auch lernen, Gefühle wirklich wahrzunehmen und eben nicht nur trainieren, etwas auszudrücken, habe ich nicht gehört.
Es lächelt sich leicht über solche Praktiken, die vermutlich mehr aussagen über Sozialisierung, Werte einer Gesellschaft und das Abwürgen eines wichtigen Teils des Menschseins. ABER: wohin steuern wir? Wenn ich mich umsehe, fallen mir einige Punkte auf, die in bedenkliche Richtungen weisen. Sind Menschen, die mehrere Stunden täglich vor der Flimmerkiste verbringen oder jahrelang ihre Ohren und ihr Hirn vollstopfen mit aggressiv aufgeladener Musik noch empfänglich für die leiseren Töne, das Zarte, die Feinheiten der Sprache zum Beispiel oder das langsame Verschwinden einzelner Tierarten, Pflanzen oder bestimmter Kulturtechniken? Oder was ist zu denken zu all den jungen Menschen, die mit leeren Gesichtern und ohne elterliche Sorge und Grenzziehung ins Leben torkeln? Zu Arbeitgebern die ihre vervielfachte Pension längst im Trockenen haben und jetzt wieder einmal ein Angstklima schaffen, auf dass keiner und keine aufmucke und die eigene Meinung sagt? Was für Menschen quälen ihnen anvertraute Demente? Von all den subtilen Mechanismen der Einflussnahme durch Verbandelungen, gestrafftes Zeitungsangebot, politische Päcklis undsoweiterundsofort will ich gar nicht beginnen.
Im Denken des Durchschnittsmainstreamers sind all jene suspekt, die frei zu gestaltende Zeit vor Geld und Konsum setzen. Wer Kiesel ins Konsumrädchen wirft, nachfragt oder sogar einmal das Wort Verzicht benutzt, ist gefährlich. Wir stehen kurz davor, einiges endgültig zu verlieren und verarmt in eine ungewisse Zukunft zu gehen. Darüber bei Zeit neue Fragmente . . .
Vorher – nachher
Im Projekt „Vorher-nachher“ werden Menschen porträtiert (Text und Foto), in deren Leben sich eine grössere Veränderung manifestiert hat, die über ein „vorher-nachher“ berichten können. In ca. 12 Porträts werden Lebensgeschichten sehr unterschiedlicher Art erzählt: Städter, die auszogen um mitten im Wald und ohne jeglichen Komfort zu leben; ein sehr aktiver, vielseitig tätiger Dozent und Institutionsleiter, der aufgrund eines Unfalls in ein wesentlich langsameres Leben mit Dauerschmerzen gezwungen wird oder ein Berner Bäcker, der um ein Haar in Indien geblieben wäre. Oder eine Frau, die achtzig Kilo Körpergewicht verloren hat und ein Mann, der erfolgreicher Geschäftsinhaber war und eines Morgens in den Händen kein Gefühl mehr hatte. Und, und, und.
Voraussichtlicher Abschluss Ende 2009.
Im Spagat
Wo hört die Stadt auf, wo fängt das Land an? Macht Stadtluft frei oder Landluft froh? Wo findet sich der mobile Mensch in der zersiedelten Dorfstadt wieder? Aus Anlass des Appenzeller Olma-Gastauftritts hat die Ausserrhodische Kulturstiftung gemeinsam mit der Gesellschaft für deutsche Sprache und Literatur GdsL sechs AutorInnen aus Ausser- und Innerrhoden bzw. aus St. Gallen eingeladen, je einen kürzeren Text zu verfassen im Assoziationsraum von ländlichem und urbanem Lebensgefühl. Die AutorInnen sind: Christine Fischer, Gabriele Clara Leist, Giuseppe Gracia, David Keller, Lorenz Langenegger und Lisa Tralci.
Mein Textbeitrag:
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Erklär mir Liebe
Die Fachstelle für Aids- und Sexualfragen St. Gallen wurde dieses Jahr 20 Jahre alt. Aus diesem Anlass waren Kunstschaffende der Region eingeladen, eine Art Gesamtkunstwerk mit dem Titel „Erklär mir Liebe“ zu realisieren. Das gleichnamige Gedicht von Ingeborg Bachmann war gedanklicher Ausgangspunkt dieses Kulturprojektes.
Schreibende aus der Region waren eingeladen, einen Text (eine Seite) zu eben diesem Thema zu verfassen. Mein Beitrag: Weiterlesen
Kubli und die toskanische Ordnung
Anfangs Dezember fand im Alten Zeughaus Herisau unter dem Titel «Bewegung» eine zwei Wochen dauernde Aktion statt. Kunstschaffende aus verschiedenen Sparten und viele BesucherInnen belebten die Räume an der Poststrasse in Herisau.
Zeitgleich wurde bekannt, dass der Gemeinderat Herisau der Gruppe «Kultur is Dorf» Fr. 5000.—(die Hälfte des bisherigen Beitrages) streichen will.
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