Archiv der Kategorie: Zeitgedanken

ARGAblog: Untiefen

In den Webuntiefen unwiederbringlich verschollen ist er, der gestrige Beitrag in dieser Rubrik. Dreissig Minuten Schreibzeit „verloren“, ein zwei Sätze und Gedanken zu einer Art Hunger, der nicht von GourmetköchInnen gestillt werden kann. Es wäre die Rede gewesen vom Seelenherzhunger älterer Menschen, dem unverhohlen oder versteckt geäusserten Wunsch nach Zeit, Zuwendung und Resonanz. „Einsamkeit“, in der einen oder anderen Ausprägung, steht dem eisigen Hamsterradeln der aktiv sein müssenden Bevölkerung gegenüber und es wäre ungeschickt, das eigene Innere zu sehr abzuschirmen von der unvermeidlichen Betroffenheit. Noch auf der „Geberseite“ stehend, mag das Unglück (ist es eines?) schon an die Türe klopfen und rasch rasch befindet mann/frau sich auf der anderen Seite . . . und dann? Was stillt den Hunger, wenn die Tage lang geworden, Besuche selten bis rar, die Lebenszeit zerrinnt, Kraft und Frische bröckeln und einem der Flügelzipfel der anderen Welt über die Schultern streift? Aus welcher Truhe hole ich die Seelennahrung, wenn der Bogen über die Mittagsstunde hinaus zum späteren Nachmittag zeigt? Und was ist, wenn er jäh abbricht . . . sich früh verheddert… ?

ARGAblog: Aufgeschnappt

Im Gang durch die Tage aufgeschnappt:

Drei ältere Menschen um die 80:

Person A: Nun müssen wir noch darüber abstimmen, ob die Schweiz Waffen ausführen darf oder nicht.
Person B: Das hat die Schweiz immer gemacht. Wenn wir ablehnen, gehen Tausende von Arbeitsplätzen verloren.
Person C: Und wenns wir nicht machen, dann tun’s andere.
Person A: Genau.

Fazit: Mit dem Argument, dass Arbeitsplätze verloren gehen, dürfen Moral und Ethik vom Tisch gewischt werden. Wenn solche Leute nur halb so sensibel wären, wenn es um ihren Privatkonsum geht. Ob sie wissen, wieviele Textilien, Nahrungsmittel etc. nicht mehr in der Schweiz produziert und/oder angebaut werden, weil „man“ generell das Billigste sucht? Und wieviele Arbeitsplätze ausgelagert (vernichtet) werden, weil anderswo „bessere“ sprich ungeschütztere Arbeitsverhältnisse legal sind oder weil z.B. die mitweltschützerischen Regeln weniger streng sind? Prüfen diese Personen, woher die von ihnen gekauften Produkte stammen und sind sie bereit, auch einen Mehrpreis zu bezahlen? Ich wage Zweifel . . .

Das Argument, dass im Falle eines Nichtmehrverkaufs von Kriegsmaterial durch die Schweiz andere Länder in die Bresche springen, ist geradezu ein Hohn.  Letztlich ein armseliger Beweis dessen, dass kein Bewusstsein für kollektive Mitverantwortung besteht.

Ähnlich unreflektierte Meinungen kursieren jeweils zur Frage, ob Armeewaffen zuhause aufbewahrt werden sollen. Spricht frau Menschen auf dadurch leichter verfügbare Mordinstrumente an, folgt rasch die Entgegnung, dass halt dann zum Messer oder zu sonst etwas gegriffen würde … 

Es beelendet, wenn Menschen, die einen grösseren Zeithorizont überblicken könn(t)en, sich auf diese Weise äussern und an der Urne entsprechend verhalten. Und es ärgert, wenn Propaganda nachgeplappert wird und kein Transfer auf die höchst eigenverantwortlichen Bereiche stattfindet.

ARGAblog: Frostflüchtlinge

 

Sie haben ihr Winterquartier bezogen: der kleine Olivenbaum und sein Sommernachbar, der Lorbeerstrauch. Uns Menschen sind solch geschützte Refugien in den meisten Fällen verwehrt: wir ziehen uns wärmer an, heizen unsere Behausungen und sind im übrigen den Launen des Wetters und der Jahreszeit ausgesetzt. Vielleicht ist die meteorologische Kälte auch nicht das Schlimmste . . . mir ist, als ätzten graue Eisfinger von Zwischenmenschen und Mitwelten an warmen Seelenhäuten, was den Minustemperaturen in nichts nachsteht, im Gegenteil. Das Menschliche, das Humane oder die freundliche Einfühlung sind in einem Frostprozess – DEIN, IHR warmer Hauch kann diesen Prozess entschleunigen.. . jetzt, morgen..

 

 

ARGAblog: Der Name

 
Diese Mitteilungsform läuft unter dem Titel „ARGAblog“. In Gesprächen habe ich das Wort „ARGA“ auch schon erwähnt und werde bei solchen Gelegenheit etwas fragend angeschaut. Nein, es hat nicht mit dem Kanton zu tun, in den ich in absehbarer Zeit ziehen werde und es meint auch nicht ein zusätzliches Generalabonnement-Angebot. „ARGA“ haben wir den Raum benannt, den wir beleben möchten. „ARGA“ stammt aus der tuwinischen Sprache – Tuwa sind Nomaden aus der Westmongolei – und bedeutet in eben dieser Sprache sowohl Wald als auch Lärchen. Unser Interesse und die Sympathie für Völker und Menschen, die sich der grossen Gleichmacherei (noch) entziehen, sowie die Tatsache, dass in unmittelbarer Nähe unserer Wohnstätte Lärchen stehen, haben zur Namenwahl geführt.

ARGAblog: Die Kurzhalslaute

Der tunesische Musiker Anouar Brahem legt ein neues Album vor: The Astounding Eyes of Rita. Mit Klaus Gesing (Bassklarinette), Björn Meyer (Bass) und Khaled Yassine (Darbouka und Bendir) und eben Brahem mit der arabischen Kurzhalslaute Oud. Es gibt Musik, die mich lebenslang begleiten wird: zu dieser gehört bereits „Thimar“ vom selben Künstler und seit kurzem das oben erwähnte, neue Album. Mit Worten ist kaum zu beschreiben, welche Intensität diese Musik besitzt und was und wo sie berührt. Brahem schöpft aus dem Musikfundus seiner Herkunft und verwebt diese Klänge mit Jazzeinflüssen zu einem – in seiner Strenge – unheimlich reichen Klangbouquet. Brahems Oud gelingt es, unendliche Weiten voller Bilder zu evozieren; sie führt in die Ferne, tief ins Innerste. Diese Musik ist (für mich) still, geheimnisvoll und betörend – sie ist Balsam in der Welt der einfältig-banalen Musik-Lärmerei. Hier zur Hörprobe.

ARGAblog: Baumläufer und Weissdorn

 

Zwei Entdeckungen an einem ARGA-Wochenende: mit Schlafaugen am Frühstückstisch entdecke ich in der einen Esche einen Vogel, dessen Bewegungsmuster im Vergleich zu dem anderer Vögel seltsam wirkt. Der Vogel flattert nicht, nein, er läuft den Stamm hinauf, fast wie eine Maus. Ein Baumläufer! sage ich – völlig unornithologisch veranlagt – und siehe da: Peterson bestätigt es – ein Gartenbaumläufer. So ganz anders als die jungen Milane, die uns durch ihre Rufe Anteil nehmen lassen an ihren Flugspielen und uns die menschliche Bodenhaftung so richtig vor Augen führen.

Im Staudenhag die zweite Entdeckung: ein Weissdorn mit leuchtenden Früchten, nicht weit von den Kornelkirschen weg. Nach dem schwarzen Holunder, dessen Beeren zu Sirup und Holderzonne (wer kennt das noch…?) wurden, reift nun ein Herzwein heran . . . Da ist Neugier – neben der Dankbarkeit für diese Naturgeschenke. Ah, von den Pilzen unter den Lärchen habe ich noch nichts gesagt – der Kenner hat sie beäugt und für gut befunden und so schmeckten sie auch!

Hier vertraute Kräuter – der nächste Winter kommt bestimmt.

ARGAkräuter

ARGAkräuter im Gartenhaus

ARGAblog: Nichts Neues

Kaum zu glauben, da braucht es eine neue Studie, um zu „wissen“, dass so genannt arme Menschen im Alter weniger gesund sind als so genannt Reiche. Die Caritas hätte das für diese Untersuchungen ausgegebene Geld geschickter verwenden können: in direkten Leistungen für Menschen, die trotz geringen finanziellen Ressourcen gesund bleiben wollen oder in bewusstseinserweiternden Kampagnen für niedriglohnzahlende Branchen wie Verkauf, Pflege oder Reinigung usw. Auf dass dereinst auf Berufskitteln „Fair-Social-Buttons“ leuchten und beim Auswärtsessen in Erfahrung gebracht werden kann, wie der Lokalbesitzer seine Küchenangestellten bezahlt . . .(unsere Bereitschaft, ausgewiesene Mehrkosten zu teilen, gehört dazu).

 

ARGAblog: Ein Zuckersäckchen

 

Hoffnungsvolle Gewohnheit: ins oder aus dem Haus gehe ich nie, ohne die Briefkastenklappe zu öffnen und ins Halbdunkel zu äugen . . . auch wenn die zustellenden Postangestellten nur noch einmal am Tag vorbeikommen, könnte es ja schliesslich sein, dass irgend jemand ein Couvert, einen Umschlag, eine Karte oder vielleicht auch nur ein Blatt Makulatur mit einem Gruss, eine karierte Seite aus einem Notizblock, ja vielleicht die mit einem Spruch bedruckte Seite eines Zuckersäckchens in meinen Kasten gelegt hat. (Dies ist, um genau zu sein, noch nie geschehen.)
Den elektronischen Möglichkeiten keineswegs abhold, empfinde ich mir zugedachte Mitteilungen in handfassbarer Form immer noch als etwas Besonderes: Papier in all seinen Varianten, Handschrift und spezielle Briefmarken… von Reisespuren und vom Knistern eines gefütterten Couverts nicht zu reden… 

Heute, um 17.27 h, drei Fundstücke aus dem Halbdunkel geholt: einen handgeschriebenen Brief und zwei Karten!

Ich möchte sie nicht missen, die haptischen Preziosen der Schriftlichkeit im öffentlich angeschriebenen Briefkasten. Und ich will mir dann und wann Zeit nehmen … Sie wissen ja – wötsch en Brief . . .