Harzig irgendwie, dieser vierte Trotztag. Es begann mit einem Gartenschereschnitt zuviel, unkonzentrierte Gärtnerin… DAS war keine letztjährige Sommeraster, am vermeintlich trockenen Waldclematiszweig bildeten sich bereits neue Blüten, zu spät gesehen. Das flaue Gefühl hielt sich treu, kurz weggeleuchtet durch die durchwandernde Arbeitskollegin (Gesprächsdistanz etwa 10 Meter). Da wartet ein noch eingepacktes Buch (*freu*) und „Blackout Island“ von Sigríður Hagalín Björnsdóttir kam zur Leserin zurück. Das Buch bekommt in diesen Tagen eine neue Akzentuierung, für alle Interessierten hier aus dem Klappentext:
Was passiert, wenn ein ganzes Land plötzlich von der Außenwelt abgeschnitten ist? Die Ressourcen knapp werden? Nicht alle überleben können? Die Menschen zu Selbstversorgern werden, Eltern ihre Kinder suchen, die in Banden hungernd durchs Land irren. Milizen marodieren. Bürgerkriegsähnliche Verhältnisse herrschen. In einem abgelegenen isländischen Fjord lebt der ehemalige Journalist Hjalti aus Reykjavik unter primitiven Bedingungen auf dem alten Hof seines Großvaters. Er versorgt die Schafe, bewirtschaftet das karge Land und lebt von dem, was er dem Boden und dem Meer abtrotzt. Gesellschaft leistet ihm neben den Schafen nur noch sein Hund. Hjalti führt einen harten Kampf ums Überleben, denn Island ist seit geraumer Zeit von der Außenwelt abgeschottet, seine Lebensgefährtin Maria und deren Kinder von ihm getrennt, ihr Schicksal ungewiss. An den langen, einsamen Abenden protokolliert er die Ereignisse, die zu dieser Situation geführt und die ehrgeizige Innenministerin Elín Olafsdottir dazu gezwungen haben, den Ausnahmezustand auszurufen.
Vielleicht noch mehr als der Schnitt zuviel sind es die jetzt vervielfältigt auftretenden, kritischen Bewertungen der aktuellen Lage. Frau steht zwischen zwei Lagern, Lichtjahre voneinander entfernt. Ab und zu durchbrochen durch einen Anbieter, der pürierte Brennesseln&Co verkaufen will, ausgerechnet der Gärtnerin. Hab ich schon intus. Könnt ich auch anbieten.
Archiv des Autors: Lisa Tralci
Trotz-dem zum Dritten
Die Schreiberin ist auch eine Gärtnerin. So jätend, säend und topfend unterwegs hat der Kopf Reisefreiheit, denkt vor und zurück und begreift dann (einmal mehr): die Gegenwart gilt es zu leben, wie gestern oder vorvorgestern ist nichts mehr und in die Ferne schauen wäre ein Blick in die Kristallkugel. Körperliche Arbeit hilft, Frischluft und – neben anderem – der dosierte Konsum von News-Meldungen. Nichts wird wahrer oder besser oder schlimmer, wenn es zehnmal gehört und sich zum unverdaulichen Kloss verdichtet, hockt und handlungslahm macht.
Mit dem Unkrautwurzelstecher unterwegs. Unerwünschtem den Garaus machen oder Versamtes retten, um es andernorts anzusiedeln. Manchmal braucht die Schreiberin diese Gerätschaft, um eine gedankliche Pfahlwurzel zu kappen. Keine Angst, nur vorstellungsmässig! Nein, es wird nicht für den Rest des Lebens SO sein. Auch nicht ein Jahr. Hoffentlich.
Trotz-dem zum Zweiten
Es empfiehlt sich, dieses in Walserdeutsch gehaltene Gedicht laut zu lesen. Bernadette Lerjen-Sarbach schrieb es in einer Zeit, in der sie um ihren verstorbenen Partner trauerte. Auch ohne einen so herben Verlust sind in diesen Tagen viele alleine, real oder mit ihren Ängsten.
Am Morgu
säg i mr sälber Güeten Tagg!
Und am Aabund
chlopfu mr sälber uf d Aggsla
Das hesch güet gmacht
oder äbu nit
aus: Di Poort wäri offni. Bernadette Lerjen-Sarbach.
Walservereinigung Graubünden 2004
Trotz-dem zum Ersten
Milane und Bussarde fliegen, ein Buntspecht ebenfalls, im Garten ist in jeder Ecke und auf jedem Fleck unbeirrtes Drängen ans Licht und ins Wachsen zu beobachten, die Wildbienen tanzen von Blüte zu Blüte, die Schreiberin hat aufgehört, stündlich Zahlen, Vermutungen und Aussichten zu erfahren.
Das Jetzterleben eine ungeahnte Verdichtung: persönliches Erleben und die Ereignisse im Aussen verzahnen sich auf eine nie gedachte Art, latent ist da ein Gefühl, im unguten Traum zu sein. Aufgewacht. Viele Gespräche mit Menschen – alle am Telefon – (da spricht sich oft leichter) obwohl die Schreiberin am liebsten, na was wohl…. In den Gesprächen tauchen Ängste auf, Sorgen und Befürchtungen. Unsicherheit und die Frage, was da noch alles kommen könne. Mutmassungen und Hypothesen, Gedanken zur Moral.
Lebenskraft auch. Krautige Energie. Gut.
Die Herznahrung der Schreiberin. Lichtblicke am Tag eins.
Am Nordhang des Lebensberges
Wenn du von mir gehst
Werde ich zu einem Stein
Am Nordhang des Lebensberges
Dem Zeitstaub ausgesetzt
Werd ich mich
In die Erde verkriechen
Träume aus Vorzeiten
Bunte Flechten werden
Mich überwachsen
Aus: Wolkenhunde. Galsan Tschinag. Waldgut
Sturm und Drang
Poststurm über den Hügel wandernd, auf der Suche nach den Zeichen des Frühlings, der diesjahr so viel mehr ist als ein Frühling sonst, so also unterwegs, trifft die Hügelgeherin diese entwurzelten Lärchen im ohnehin schon dezimierten Kleinwald. Nun, es ist zu hoffen, dass Baumliebe und Vernunft den Ausschlag geben für Nachwuchs und Erhalt.
Balsam für die plangende Frühlingsseele fand sich auch. u.a. die Knospen der Päonien, dieses jährlich wiederkehrende Wunder der langjährigen Begleiterin…
Leises Ziehen
Den Leib träger werdenden Lichtfingern überlassen
Uhr und Termin und Pflicht über Bord
Steinfratzen Kräuselflut Türkisblau
Bougainvillea Oliven Windlieder
austräumen unfertig bleiben
das Fell glätten
refuse
geh!
LT 5.5.19
(Noch nicht) Frühling
Still sitzen.
Nichts tun.
Der Frühling kommt.
Das Gras wächst.
(aus dem Zen-Buddhismus)
Genau. Auch wenn heute alles dagegen spricht…
helmikuu
Aufgewacht in einen traumhaft schönen Wintermorgen – sagt die Schreiberin, die sich immer (noch) als Sommerfrau bezeichnet. Die aufziehende Morgensonne, Schneehügel lichtkosend, zunehmend verwandelt sich die Landschaft in ein grosses Glitzern, in der Luft rosablaue Färbungen, der Himmel eine Bläue, in der zu versinken sich anbietet, schön, ganz einfach schön. Die Finnen, – irgendwo scheint sich das was anzubahnen – die Finnen also nennen den Februar helmikuu, was so viel heissen soll wie Perlenmonat. Passt!
Das Leben nicht verstehen
Hier soll wieder ab und zu eine Wortmeldung sichtbar werden, die Lyrikleserin kommt nicht umhin, mit einem Gedicht ins noch junge Jahr zu starten:
Du musst das Leben nicht verstehen
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
Rainer Marika Rilke