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Farbenrausch

Seit etwa drei Jahrzehnten begleiten drei Pflanzen das Leben der Gärtnerin. Haben Aus- und Umzüge überlebt, hatten gute und weniger gute Plätze, dunkle Überwinterungsorte und ab und zu sah es so aus, als würde die eine oder andere den Sommer nicht überleben. Eine davon ist diese alte Päonie im Titelbild. Jahrelang stand sie in einem Topf, zu klein, auf einer oft zu besonnten Terrasse. Vor über zehn Jahren wurde sie aus dem Topf befreit (Käfighaltung! Böse Gärtnerin!) und nach einem Jahr in der Gartenerde belohnte sie die Betrachtenden mit drei wunderbaren Blüten. Dieses Jahr setzte ihr der Nachtfrost zu, doch was für eine Überraschung: heute zeigt sie bereits Blüten. Sie sind weniger dunkel und weniger gross, aber sie blüht!
(Aha, die beiden anderen Begleitpflanzen? Also: ein Olivenbäumchen, das seit letzten Herbst eine! Olive trägt und eine Fuchsie).

Der weiter unten folgende, bildliche Farbreigen soll nicht darüber hinweg täuschen, dass heute und jetzt vieles Anlass zu Sorge gibt. Die Schreibende erinnert sich an die Aufbrüche in der Dritt-Welt-Bewegung, an Schachteln von Bananen, die an Standaktionen bei jedem Wetter verkauft wurden; an Kaffee, dessen Preishintergrund frau bis zum Stottern erklärte und wiederholte und tausendmal dankte, wenn ein engagierter Lehrer zwei Pakete fürs Lehrerinnenzimmer kaufte. Feuer und Flamme! Herzblut und der Glaube, wirklich etwas bewegen zu können, beseelte die Gruppe. Hoffnung, dass die Welt gerechter werden könnte. Weniger Hunger und weniger Kriegschauplätze. Ein Traum? Eine Utopie? Auf die Schnelle könnte frau zu einem solchen Urteil kommen. Vor etwa vierzig Jahren (oh schreck, wer schreibt das?? 40 Jahre???) wurden an verschiedenen Orten verschiedenste Bewegungen ins Leben gerufen, die bis heute auf verschiedene Art und Weise daran arbeiten, gerechter, fairer, mitweltverträglicher, nachhaltiger zu agieren. Zwei Beispiele: der Betrieb von Gino Girolomoni, der in Mittelitalien dafür sorgte, dass Kleinbauern ihr Getreide biologisch anbauen und vermarkten konnten und nicht in die Städte abwandern mussten. Mit unendlich vielen Hürden durch den Staat… heute wird der Betrieb von seinen drei Kindern geführt – die Schreibende hatte Gelegenheit, den Betrieb samt Pastaproduktion zu besuchen. Ein Tipp: im Genossenschaftsladen St. Gallen und Claro St. Gallen findet sich die Pasta von Girolomoni im Sortiment.
Ebenfalls vor vierzig Jahren wurde Longo Mai gegründet, hier wurde auch schon darüber geschrieben. Aus Sicht der Schreibenden sind besonders die Verdienste um den Erhalt alter Kulturtechniken, der Erhalt des Wissens über Saatgut (grosses Thema)!, der Widerstand gegen Abholzung von Wäldern und v.a. die Schaffung von Perspektiven für junge Menschen, welche in den Normsystemen keine Zukunft für sich sehen, besonders verdienstvoll.
Und ja natürlich: auch die Dritte-Welt bzw. Claro-Läden sind geblieben. Mit vielen positiven Effekten. Der grosse Traum aber…

Sich an „solche Geschichten“ zu erinnern, ist wichtig. Gibt ein wenig Balsam, wenn der Eindruck entsteht, in einer komplett in Aufruhr geratenen Welt zu versinken… weil die Schreiberin eine optimistische Zweiflerin oder eine zweifelnde Optimistin ist, vor den Farben ein Zitat vom charismatischen Gino Girolomoni:

Man darf niemals aufgeben und muss weiterhin hoffen, nicht sosehr, um die Welt zu retten – das ist vielleicht eine zu schwierige Aufgabe – sondern einfach, um nicht auf der Seite derjenigen zu stehen, die sie zerstören- Gino Girolomoni