Archiv der Kategorie: Zeitgedanken

ARGAblog: Alle Bücher

Einer meiner Enkel (5) beginnt, die Buchstaben zu Wörtern zusammen zu setzen. Wir sitzen beieinander, während er „liest“. Plötzlich sieht er sich um, schaut die Bücherwand an und sagt: „Wenn ich lesen kann, kann ich alle Bücher lesen!“. Alle Bücher lesen können – was für ein mächtiger Schritt in der Entwicklung und was für eine wunderbare Möglichkeit…

ARGAblog: In dieser Zeit

der fliehenden, kriechenden, reichen, vollen – in dieser Zeit, in der sich Winter und Frühling touchieren, die vielen kleinen und grossen Wunder: die Meise, welche die ihr zur Verfügung gestellte Wohnung inspiziert; die Blumenzwiebeln, die ihren Keim durch den gefrorenen Boden treiben; Knospen am Aroniastrauch; das ein paar Wochen junge Kind lächelt; die Milane sind zurück und im Garten die Spuren eines Rehs. Zwischen eisigkalten Schneetagen gestreute Sonnentage vor der warmen Hauswand, eine Wanderung auf den Kindheitsberg und dort (auf der Wilket im Toggenburg) den Mittagsflug eines Steinadlerpaars beobachtet, das rosamilchige Licht gestern auf dem Heimweg; immer wieder der Mond in den Birken und Lärchen; ein paar Bücher, neue Musik; der eine oder andere Film, gelungene Brioches aux chocolat; Frida die bleibt und weilt; in dieser Zeit des Umbruchs, der Unsicherheit und der Veränderungen diese Geschenke wahrgenommen . . . diese und noch viele andere …

ARGAblog: Kein TV

Ich vermute, diese kleinen Kommunikationshilfen – Handy oder Mobile – haben einen eingebauten Selbstzerstörungsmodus. Kaum haben wir uns wirklich aneinander gewöhnt, muckt es auf. Das Verhalten meines Gerätes liess den Besuch eines entsprechenden Shops als ratsam erscheinen. Mir war, als spreche der gestylte junge Mann bereits etwas lauter und langsamer und als ich meine Wünsche in Bezug auf ein neues Gerät äusserte (es waren wenige – – Funktionalität und geringe Kosten vor coolem Design und tausend Möglichkeiten, die ich nicht benötige —) wurde sein Blick mitleidig und seine Antworten knapp. Wenn Sie nicht mehr brauchen, haben wir keine grosse Auswahl! Mindestens zweihundertvierzig Franken müssen Sie in jedem Falle ausgeben. Unbeirrt frage ich nach dem Treueangebot. Aha, das was ich Ihnen biete ist eben das Treueangebot. Das Mobile würde sonst glatt das Doppelte kosten – wenn Sie weitere 24 Monate bei uns bleiben, schenken wir Ihnen…. ich höre schon gar nicht mehr richtig zu und verabschiede mich.
Heute Versuch zwei: ich spreche die Litanei meiner Wünsche, der Berater im Shop zwei meint, wunderbar – wenn nur alle Kunden so klar wüssten, was sie wollen und nein, das rosa Angebot taugt nicht, weil Sie zu abgelegen wohnen, Sie haben ja nicht einmal die maximal schnelle Internetverbindung… meine Netzverbindung ist schneller als jene die ich in der Stadt nutze aber eigentlich möchte ich ja ein mobiles Telefon… ja genau, meint er, für Sie hab ich ein Topangebot. Angebot XY, das TV-Angebot, da ist auch das Mobile drin, Sie bekommen ein Paket und ein Kästchen, packen Sie es am besten gar nicht aus und nach zwei Monaten bringen Sie es mir einfach in den Shop und das Ganze kostet Sie nichts und ich geb Ihnen das Handy dazu. NEIN, kein TV! Kein TV??? Kein TV… Aha. Macht nichts. Guten Abend.

ARGAblog: Aussteigen

Zwei Reisende fahren in einem Zug. An der ersten Station fängt der eine an zu jammern. Beim zweiten Bahnhof stöhnt er noch mehr. Beim dritten rennt er panisch durch den Zug. Fragt der andere: „Was jammerst du immer lauter von Bahnhof zu Bahnhof?“ „Mein Zug fährt in die falsche Richtung!“, kommt die Antwort. „Aber warum steigst du nicht aus und nimmst den richtigen Zug?“. „Ich habe doch einen guten Sitzplatz. Wer weiss, wann überhaupt ein Zug in die andere Richtung geht? Und wo ich doch jetzt schon so weit gefahren bin…“

Alle Welt ruft nach Veränderung. Doch Bewahrung ist ein Grundprinzip der Selbsterhaltung. Nur wenn es gar nicht mehr anders geht, verlassen wir eventuell die eingefahrenen Hauptstrassen – und wenn die Sehnsucht nach Nebenwegen übergross wird.

Quelle: Dieter Halbach in: Ankommen im Ausstieg. oya. anders denken, anders leben 02/2010

ARGAblog: Creuza de mä

 

Gehört und wieder gehört und noch hunderte Male mehr . . . das Album Creuza de mä des Cantautore Fabrizio de André (1940 – 1999). De Andre singt auf dieser CD im Dialekt seiner Heimatstadt Genua. Auch nach Jahren noch immer faszinierend: Sprachklang, Stimme und Instrumentalbesetzung mit u.a.Gitarre, Bouzouki, Mandoline und Oud. Hier wie in seinem ganzen Schaffen beeindrucken die bildreichen, mit Metaphern und Querverweisen angereicherten Texte. Sie erzählen von Menschen am Rande einer so genannt etablierten Gesellschaft, sind Umsetzungen von Lyrik oder behandeln politische und religiöse Themen.

Musik und Bild hier – mit der Möglichkeit, den Text in ital. Sprache nachzulesen …

 

ARGAblog: Das Geschenk der Mauren

 
 
Die Aubergine
 

 
Aus Indien und China stammend wurde die Aubergine im 13. Jahrhundert von den Mauren in den europäischen Raum gebracht. Inzwischen ist die wärmeliebende, Pflanze hierzulande „heimisch“. Sie wächst in verschiedenen Formen: länglich violett wie die abgebildeten ARGA-Auberginen, rund und weiss (deshalb wohl die oft verwendete Bezeichnung Eierfrucht), rund und violett mit weissen Streifen, sogar rote Exemplare sind bekannt.
Die ersten ARGA-Auberginen sind reif, weitere sind in den kommenden Tagen zu erwarten. Das erfreut das Herz der Gärtnerin, zumal in einschlägigen Büchern oft darauf hingewiesen wird, dass dieses wärmeliebende Nachtschattengewächs im Folien- oder Glashaus zu ziehen sei. Auch ein warmer Sommer wird als günstig erwähnt. Die ARGA-Aubergine steht vor einer Wand mit Nachmittagssonne, von einem besonders warmen Sommer würde ich eher nicht sprechen. Für diese Melanzani, wie sie in Österreich und Italien genannt werden, gibt es eine Vielzahl von Rezepten. Es lohnt sich, ihrer Zubereitung Aufmerksamkeit zu schenken und nicht mit Gewürzen und Kräutern zu geizen. In Israel soll es ein Sprichwort geben, nachdem eine Frau (ob es inzwischen auch für Männer gilt??) erst heiraten solle, wenn sie 40 verschiedene Speisen aus Auberginen zubereiten könne. Nun, ich persönlich würde diese beiden Dinge nicht verknüpfen, fürs Gelingen des doch nicht ganz einfachen Vorhabens einer Ehe leistet breites Rezeptwissen einen wohl eher marginalen Beitrag. Das Sprichwort sagt indessen etwas aus über die vielen möglichen Zubereitungsarten.

Auberginen sind in Indien eine der beliebtesten Gemüsepflanzen. Vor einem knappen Jahr hat die indische Regierung den Anbau von gentechnisch veränderten (GVO-)Auberginen bewilligt. Monsanto und Co. greifen nach Mais oder Soja auch bei dieser Pflanze ein, bzw. sie wittern ein gutes Geschäft durch zu schaffende Abhängigkeiten, was sie aber mit scheinheiligen Argumenten zu kaschieren suchen. Vertiefende Infos dazu hier.

ARGAblog: Weltenmitte

ARGA liegt nicht an einer Autobahnausfahrt und auch nicht in einem Reiheneinfamilienhausquartier. Ebenso wenig im Speckgürtel Umland – auch Agglo genannt – einer Stadt. Und schon gar nicht mitten in einer City. Das Wort ARGA steht in der tuwinischen Sprache für Wald oder Lärche, liegt abseits und wer den Weg wagt, muss seine/ihre Füsse benutzen. Vor kurzem fand an der etwas entfernt liegenden Strasse eine Übergabe statt. Der Monteur fuhr (auf einer notabene gepflasterten Strasse) bis zum abgemachten Treffpunkt, etwa dreihundert Meter vom Haus entfernt. Dabei traversierte er vielleicht hundert Meter Wald, was ihn veranlasste, sich zu fragen, ob in dieser Gegend wirklich noch Menschen wohnen. Ich konnte ihn beruhigen und habe das Wolfsheulen bleiben lassen. Der Weg zum Haus führt über einen kleinen Hügel, auf dessen Kuppe sich bei entsprechendem Wetter eine umwerfende Rundumsicht bietet. Alpsteinpanorama, Fürstenland, zum Feldberg in Süddeutschland und über den Bodensee. Für mich gab es eine einzige Antwort: ich wohne ganz genau in der Mitte der Welt! Wie alle anderen auch meinen . . .

ARGAblog: Jisei

Was macht, dass ein Ort ein Zuhause (auf Zeit – wie wir wissen) wird? Wann fühle ich mich da-heim, da heimisch, zu Hause? Nach einem guten Jahr des parallel an zwei, manchmal gar an drei Orten lebens, sind die Dinge die mich begleiten und meine Alletage erleichtern, nun wieder an einem Ort. Noch haben nicht alle Bilder ihre Wand, nicht jede Socke ihre Schublade aber jedes Gewürzdöschen steht an seinem Platz! Und das sind nicht wenige…

Ich komme an, wenn ich durch das kleine Lärchenwäldchen gehe. Dieser Durchgang (ein Feldweg) wird zur hohen Kathedrale, durch die ich hindurch gehe – Räume, vor meiner Zeit entstanden und nach mir noch da. Ein beschützender Lärchensaum. Daheim fühle ich mich in dem Augenblick, in dem ich durch die Gartentüre trete und inmitten der Bäume und Pflanzen stehe, deren Wachsen ich seit über einem Jahr beobachte und teilweise auch beeinflusse. Im eingreifenden Tun und Betrachten von Werden, Sein und Vergehen innerhalb der Natur mit all ihren Facetten tritt das eigene ICH zurück, bietet sich Gelegenheit, die Geschehnisse aus einer gewissen Distanz wahrzunehmen und Kopf und Herz zu beruhigen. Die Vorgänge sind auch zu lesen als Synonyme der eigenen Biografie: lichthungriges Wachsen, buntes Blühen, Wasserschosse, unerwünschte Beikräuter, Rückzug und Wiederkehr – ab und zu an einem ganz anderen Ort als erwartet!

Auch wenn ich noch nicht an diesem Lebenspunkt bin, begreife ich die älteren asiatischen Gelehrten, die sich irgendwann aus der Geschäftigkeit des Lebens zurückziehen und sich der Pflege von Chrysanthemen widmen. Innerhalb der Haiku-Dichtung gibt es sogenannte Jisei – eine besondere lyrische Gattung. Jisei sind eine Art Sterbegedichte, Abschiedsgedichte. Gedichte, die von einem Sterbenden bewusst als poetisches Schlusswerk geschrieben wurden. So sorgte sich Kizan (1787 – 1851) sterbend um seinen Blumengarten:

Wenn ich nicht mehr bin,
kümmert sich dann einer um
die Chrysanthemen?

Etwas unverschrobener das Jisei von Utsu (1813-1863) – er schrieb

Für seine Pflanzen
wird der Blütenbesitzer
schliesslich zu Dünger.

Ich habe vor, noch ein paar Worte vor meinem Jisei zu notieren. . .

ARGAblog: Plastikplanet

Jährlich werden laut John Taylor, Präsident von PlasticsEurope, dem Dachverband der europäischen Kunststofferzeuger, rund 60 Mio. Tonnen Plastik erzeugt – in Europa, nicht weltweit! Neben einer unvorstellbaren Menge an Müll, die sich beispielsweise in den Weltmeeren ablagert,schädigen Zusatzstoffe unser Hormonsystem. Der Filmemacher Werner Boote hat über zehn Jahre zum Thema recherchiert und ist dabei rund um die Plastikwelt gereist. Jetzt präsentiert er seinen Film „Plastic Planet“. Im TagesAnzeiger erschien im März ein Artikel über „das verkannte Problem Plastik“. Der Film läuft ab Mai im KinoK St. Gallen. Hingehen – und zuvor viel Hahnenwasser trinken…