Was macht, dass ein Ort ein Zuhause (auf Zeit – wie wir wissen) wird? Wann fühle ich mich da-heim, da heimisch, zu Hause? Nach einem guten Jahr des parallel an zwei, manchmal gar an drei Orten lebens, sind die Dinge die mich begleiten und meine Alletage erleichtern, nun wieder an einem Ort. Noch haben nicht alle Bilder ihre Wand, nicht jede Socke ihre Schublade aber jedes Gewürzdöschen steht an seinem Platz! Und das sind nicht wenige…
Ich komme an, wenn ich durch das kleine Lärchenwäldchen gehe. Dieser Durchgang (ein Feldweg) wird zur hohen Kathedrale, durch die ich hindurch gehe – Räume, vor meiner Zeit entstanden und nach mir noch da. Ein beschützender Lärchensaum. Daheim fühle ich mich in dem Augenblick, in dem ich durch die Gartentüre trete und inmitten der Bäume und Pflanzen stehe, deren Wachsen ich seit über einem Jahr beobachte und teilweise auch beeinflusse. Im eingreifenden Tun und Betrachten von Werden, Sein und Vergehen innerhalb der Natur mit all ihren Facetten tritt das eigene ICH zurück, bietet sich Gelegenheit, die Geschehnisse aus einer gewissen Distanz wahrzunehmen und Kopf und Herz zu beruhigen. Die Vorgänge sind auch zu lesen als Synonyme der eigenen Biografie: lichthungriges Wachsen, buntes Blühen, Wasserschosse, unerwünschte Beikräuter, Rückzug und Wiederkehr – ab und zu an einem ganz anderen Ort als erwartet!
Auch wenn ich noch nicht an diesem Lebenspunkt bin, begreife ich die älteren asiatischen Gelehrten, die sich irgendwann aus der Geschäftigkeit des Lebens zurückziehen und sich der Pflege von Chrysanthemen widmen. Innerhalb der Haiku-Dichtung gibt es sogenannte Jisei – eine besondere lyrische Gattung. Jisei sind eine Art Sterbegedichte, Abschiedsgedichte. Gedichte, die von einem Sterbenden bewusst als poetisches Schlusswerk geschrieben wurden. So sorgte sich Kizan (1787 – 1851) sterbend um seinen Blumengarten:
Wenn ich nicht mehr bin,
kümmert sich dann einer um
die Chrysanthemen?
Etwas unverschrobener das Jisei von Utsu (1813-1863) – er schrieb
Für seine Pflanzen
wird der Blütenbesitzer
schliesslich zu Dünger.
Ich habe vor, noch ein paar Worte vor meinem Jisei zu notieren. . .