Mediation

Konflikte konstruktiv lösen

Mediation bei interkulturellen Konflikten. Ein Kursbericht über ein Projektan-gebot aus dem Integrationskonzept der Stadt St. Gallen.


Die Sozialarbeiterin Ursula K. muss nicht lange nachdenken, wann sie den letzten Konflikt zwischen zwei Menschen aus verschiedenen Kulturen zu lösen versuchte. Es sei ein Streit zwischen Vermieter und Mieterin wegen Ruhestörung gewesen. Als Teilnehmerin des Kurses «Integration durch Mediation» möchte Ursula K., wie wohl alle zwanzig Menschen, die sich zur Teilnahme angemeldet haben, eine Möglichkeit kennenlernen, Spannungen und Konflikte konstruktiv zu lösen. Wo Menschen zusammenleben, entstehen Konflikte. Wenn diese Menschen aus verschiedenen Ländern kommen und andere Sprachen sprechen, kann das Konfliktpotential unter Umständen noch etwas höher sein, rasch wird dann der Begriff des interkulturellen Konfliktes verwendet.

Mediativ handeln lernen
Der Kurs ist ein Projektangebot aus dem Integrationskonzept der Stadt St. Gallen.
Die Frauen und Männer, welche den 5½-tägigen Kurs in St. Gallen besuchen, erfahren und erproben die einzelnen Phasen eines Mediationsablaufs. Sie sind damit nach Kursende keine ausgebildeten Mediatoren, sie sind aber befähigt, in ihrem beruflichen oder privaten Umfeld mediativ zu handeln und in diesem Sinne präventiv und konfliktlösend zu wirken. Der Theorievermittlung durch ausgebildete und erfahrene Mediatoren vom Zentrum für Mediation in St. Gallen folgen immer wieder Übungssequenzen. Der Streit um die abendliche Ruhestörung, den Ursula K. zwei Tage vor dem Kurs nur unbefriedigend schlichten konnte, ist eines von vielen Übungsbeispielen im Kurs. Andere TeilnehmerInnen berichten von Auseinandersetzungen im Schulbereich, familiären Konflikten oder von Spannungen zwischen Menschen am Arbeitsplatz. Die Projektinitianten sind von der Idee ausgegangen, Menschen, die in ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Funktion an der Schnittstelle zwischen einheimischen und ausländischen Personen tätig sind, also so genannte Schlüsselpersonen, in konstruktiver Konfliktlösung im Sinne der Mediation auszubilden.

Eigene Lösungen entwickeln
In der Mediation wird den Konfliktpartnern Selbstverantwortung übertragen und aufgezeigt, dass jedem Menschen eine eigene Wirklichkeit und Individualität eigen ist, die es zu respektieren gilt. Wenn diese unterschiedlichen Sichtweisen von beiden Seiten akzeptiert werden, können Positionen verlassen und individuelle Bedürfnisse ausgesprochen werden. Eine wichtige Aufgabe der medierenden Person ist die geschickte Fragestellung, die Parteien sollen ihre je eigenen Wünsche und Interessen kund tun. Dass Fragen stellen nicht immer ganz einfach ist, erleben die KursteilnehmerInnen hautnah. Rasch taucht im Innern ein Lösungsvorschlag auf, man kennt doch diese Situation aus eigener Erfahrung, da wäre dies oder das zu tun und genau diese Impulse gilt es zu bändigen. In den Rollenspielen wird gut sichtbar, welche Fragen Veränderungsprozesse oder Zusammenhänge aufdecken helfen und welche eher Widerstände oder Aggressionen hervorrufen. Die behutsame, wertfreie Begleitung soll es den Konfliktparteien ermöglichen, eigene Lösungsoptionen zu entwerfen und so miteinander zu verhandeln, dass eine einvernehmliche Lösung gefunden wird.

Im Spannungsfeld der Kulturen

Unsere Gesellschaft ist kulturell durchmischt. Wenn wir nicht in starren Positionen und Zuordnungen verharren wollen, sondern bereit sind, andere Sichtweisen als eine von vielen Wirklichkeiten zu anerkennen, dann ist damit bereits ein Schritt getan hin zu einer besseren Verständigung. Mediatives Handeln bei Spannungen zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen bedingt weniger Kenntnisse aller Gepflogenheiten und Bräuche, sondern vielmehr eine offene, wertschätzende Haltung und Sorgfalt in der Begleitung. Denn nicht nur die fremde Herkunft, die so genannt andere Kultur also, beeinflusst die Identität eines Menschen. Erziehung, Ausbildung und sozialer Status machen aus Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Erwartungen. Ihnen gilt es, individuell zu begegnen und einen gegenseitigen Verständigungsprozess in Gang zu setzen. Der Vermieter im Beispiel von Ursula K. würde so vielleicht verstehen, was seiner Mieterin Besuch bedeutet und diese wüsste um seine Sorge um den Hausfrieden. Die Sozialarbeiterin wird in einem nächsten Fall Konfliktpartner so begleiten, dass der Blick hinter vermeintlich absolute Aussagen und starre Positionen möglich wird. Durch ihre Fragen wird sie die beiden Parteien darin unterstützen, Lösungsmöglichkeiten ans Licht zu bringen, die die Interessen des Gegenübers mindestens mit berücksichtigen und so eine Win-win-Lösung ermöglichen. In einer differenzierten Auswertung rund drei Monate nach Kursabschluss werden in Zusammenarbeit mit den beiden Dozenten erste Erfahrungen mit mediativem Handeln erhoben und besprochen.

 

 


Mediation
Mediation ist ein wirksames Verfahren zur einvernehmlichen Lösung von Konflikten. Dabei werden die Parteien von einer aussenstehenden, neutralen Drittperson, einer ausgebildeten Mediatorin oder einem Mediator, unterstützt. Im Mittelpunkt steht nicht die Frage nach Recht oder Unrecht, Schuld oder Unschuld, sondern die Suche nach einer möglichst dauerhaften zukunftsorientierten Konfliktbewältigung. Diese Methode baut auf der Individualität der Beteiligten und ihren unterschiedlichen Sichtweisen auf und zielt darauf ab, das gegenseitige Verständnis zu fördern und die jeweiligen Bedürfnisse der Parteien möglichst umfassend zu berücksichtigen. Sie bietet sich daher gerade auch für interkulturelle Konflikte an. Viele Elemente dieses speziellen Konfliktlösungsverfahrens lassen sich auch von direkt Beteiligten in konfliktträchtigen Alltagssituationen gewinnbringend einsetzen. (lt)

 

Informationen

Integrationsstelle Stadt St. Gallen
Peter Tobler
peter.tobler@stadt.sg.ch
071 224 56 99

Zentrum für Mediation, St. Gallen
info@mediation-sg.ch
071 223 77 09

Kurse 2004
Kurs A1: Beginn 29. April 2004
Kurs A2: Beginn 6. Mai 2004
Anmeldung bis 15. März 2004

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