Archiv der Kategorie: Fremde Texte

Operation Hoffnung

Ein Brief der Appenzeller Zeitung liegt in meiner Post. Mein Wort: «Operation Hoffnung». Aber das sind doch zwei Wörter! Nun ja, sie scheinen also zusammenzugehören, sozusagen eine Einheit zu bilden und nur im Zweierpaket erhältlich zu sein. Aber sie gefallen mir zusammen eigentlich nicht, stören meine Empfindung. Zu sehr tönt mir das Ganze nach Abkommen. Nach geschäftlichem oder gar militärischem Agreement mit gesteuertem, zweckoptimistischem Ausgangscharakter. Ein bisschen mögliche Sonne nach dem Sturm oder «bewegen sie sich frei, aber gehen sie in diese Richtung!».

So erlaube ich mir, ein sprachliches Skalpell zur Hand zu nehmen und das Wort «Operation» einfach wegzuschneiden, operativ zu entfernen. Nun ist mir wohler, der Zustand ist ehrlicher, klarer. Das Wort «Hoffnung» ist bedeutungsvoller geworden und kann sich in seiner Tragweite entfalten, auch wenn ich den Anfang und auch das Ende dieser Bedeutung nicht ausmachen, geschweige denn erfassen kann. Denn Hoffnung ist ein sehr persönliches Gefühl, wir kennen es alle und haben uns schon oft seine Bekanntschaft ersehnt. Wenn ich es treffen durfte, hat es mich in eine Welt des Trostes und der Stille, aber auch in eine Welt der grossen Erwartung geführt. Schwierig – die Hoffnung nicht an erwartete Resultate zu knüpfen … Schlussendlich hat mich der Zustand «Hoffnung» oft auf mich selbst zurückgeworfen und auf die Erfahrung, dass mit Gefühlen und dem Glauben «in» oder «an» etwas immer etwas zu verändern ist.

Gewürze

Gewürze sind etwas Spezielles, jedenfalls für mich, denn man kann sie so vielseitig verwenden. Die Gerichte oder Gebäcke bekommen, je nachdem, wie man die Gewürze einsetzt, eine einzigartige Note im Geschmack. Mich faszinieren die unzähligen Gewürzarten und ich probiere gerne neue Gerichte aus. Leider gelingen mir nicht alle …

Vielfältig

Dieses meistens positiv verwendete und bewertete Wort hat mich ganz spontan in eine gute Stimmung versetzt.

Gerade fünfzig Jahre alt geworden, habe ich mich auch mit allen Gefühlen von Älterwerden, weniger vital, weniger Wertsein auseinandergesetzt.

Ich betrachte mich im Spiegel und sehe meine vielen Falten im Gesicht. Es nützt nichts, sich gegen die Gefühle dabei zu wehren, man sieht es an den Falten…

Ich bin vielfältig! Es ist nicht mehr zu verbergen: Zufriedener, mit leichtem Stolz, gehe ich mit der neuen Bewertung in den Alltag.

Natur

Natur ist ein Wort, das uns tagtäglich begleitet. Gibt es etwas Wertvolleres? Sie umgibt uns von morgens bis abends. Wir leben mit ihr. Schon unseren Enkeln bringen wir sie näher, indem wir ihnen die Zusammenhänge erklären. Gibt es überhaupt etwas Schöneres als sich in der Natur aufzuhalten? Wir haben das grosse Privileg, von purer Natur umgeben zu sein. Da sind unsere Vögel, die bei uns brüten, und Schmetterlinge lassen sich auf Blumen und Büschen nieder, welch herrlicher Anblick! Zum kleinen Weiher kommen unzählige Frösche, um zu laichen, doch auch Molche, Kröten und Libellen gibt es zu beobachten. All unsere freie Zeit gehört der Pflege der Natur. Das Erste, was ich am Morgen angehe, ist ein Rundgang durch mein Paradies, denn es gibt viel Neues zu entdecken und auch festzustellen, so zum Beispiel, ob Fuchs und Igel oder Marder in der Nacht zu Besuch waren. Was immer die Natur uns bietet, ist nicht käuflich, kostet nichts, aber bereitet unsagbar viel Freude. Natur ist Labsal für die Seele. Es stimmt uns unsagbar traurig zu hören, dass täglich Tiere und Pflanzen aussterben durch die Unvernunft des ach so klugen Menschen. Woher nimmt der Mensch das Recht, derartige Eingriffe zu tätigen und Unersetzliches zu zerstören? Natur kann auch Glaube sein!

Abgrenzen

Klara gibt ein Fest. Sie hat Freiraum geschaffen für sich selbst. Gefeiert wird das «Abgrenzen». Selbstverständlich gehören auch die Zwillinge «Grenzen setzen» und «Grenzen ziehen» dazu. Sie haben ihren Bruder, den «Grenzschutz», mitgebracht. Kaum begrüsst, wird auch allen klar, dass er unverzichtbar ist in dieser Runde. Ungeladen rückt nämlich der andere Teil der Verwandtschaft heran. (Ob mütterlicher- oder väterlicherseits ist nicht mehr herauszufinden.) Schon von Weitem hört man sie rufen: Wir wurden ausgegrenzt, wir lassen uns das nicht bieten – wir versetzen Grenzen – wir lösen Grenzen auf – wir überschreiten sie. Eine helle Stimme ruft unentwegt: Wir bauen Brücken, eine andere: Schmetterlinge fliegen frei. Wie unterschiedlich und eigenartig klingen die Rufe aus diesem Lager. Klara ist verwirrt. Unvermutet steigt ein Traum in ihr auf. Der Traum von spontaner Begegnung und grenzenloser Freiheit. Mit einem tiefen Atemzug wendet sie sich wieder ihren Gästen zu. Heute ist das «Abgrenzen» ihr Fest und sie will es in vollen Zügen geniessen. Sie bittet den Grenzschutz auf seinen Posten. Sie weiss, sie wird in Kürze ein weiteres Fest feiern, zu gerne möchte sie die anderen Verwandten kennen lernen.

Kometenstaub

Wie alle Himmelskörper umgibt auch Kometen die Aura des Geheimnisvollen; man weiss immer noch sehr wenig über diese nur selten mit blossem Auge erkennbaren Trabanten der Sonne. «Kometenstaub» kommt mir als Wort mit innerer Spannung vor: Es kombiniert den erhabenen Kometen mit Staub, dem in der Regel jegliche Erhabenheit abgeht. Dennoch weckt «Kometenstaub» keine negativen Gefühle, sondern wird als schon fast magischer Begriff empfunden. Offenbar genügt die Erhabenheit des Kometenbegriffs, um den Staub zu adeln. Damit nicht genug: Der Staub, den der Komet auf seiner den Gesetzen der Schwerkraft gehorchenden Reise durchs Sonnensystem von sich gibt, macht ihn überhaupt erst sichtbar. Der Kometenstaub ist also die Ursache für den leuchtenden Kopf (fachsprachlich die Koma genannt) und den wundersamen Schweif dieser Himmelserscheinungen, die uns entzücken und unsere Vorfahren in Angst und Schrecken versetzten.

Das Paradies

gopf, ein wortgefäss gefüllt mit tonnenschwerer leichtigkeit, ein ort des ganzen, in dem nichts geteilt ist und das eine nicht das andere bedingt, nur eine ahnung: das paradies der leere

das füllhorn zum bersten voll

vom täglichen überfluss überflutet die sinneslandschaft das paradies, dieser garten eden am rande meiner seele möchte leer sein gänzlich leer sein als sei es übergang für die fantasie

weggehen und ankommen

Erdigem

Zufällig entdeckt, dass in meinem «das sollte ich mal durchschauen, sortieren, entsorgen»-Stapel dieser Aufruf steckt: Eines von 286. Es dreht sich nicht um irgend ein Wort, das ich leicht zur Seite schieben, vergessen könnte, sondern um erdigem! Erdigem! Das Wort lässt mir keine Ruhe. Setzt sich fest. Keimt zwischen Erdkrümeln. Setzt Bilder frei.

Mit erdigem Geschmack im Mund
Mit erdigem Klang im Ohr
Mit erdigem Fuss im Schuh
Mit erdigem Gesicht im Kopf
Mit erdigem Gefühl im Bauch
Mit erdigem Versprechen im Herzen
Mit erdigem Wein im Glas
Mit erdigem Zorn im Streit
Mit erdigem Vertrauen im Leben
Mit erdigem Leiden im Kontakt
Mit erdigem Übermut im Fluss
Mit erdigem Wachsen im Dasein
Mit erdigem Glück im Licht
Mit erdigem Mut im Berg
Mit erdigem Wohlwollen im Zentrum
Mit erdigem Duft…
Mit erdigem Gesang…
Mit erdigem Wissen…
Mit erdigem Lächeln.
Nicht mit feurigem, wässrigem, luftigem Lächeln…
Mit erdigem Lächeln im Augenblick.

Akzeptanz

Zuerst habe ich mich gefragt, was das Wort Akzeptanz bedeutet. Ist der Akzep-Tanz ein Appenzeller Volkstanz oder ist es doch die Bereitschaft, etwas Neues anzunehmen? Ich lege mich doch lieber auf die zweite Deutung fest.

Ich komme aus Barcelona, was bedeutet, dass ich hier in der Schweiz Ausländerin bin. Ich liebe mein Land, mit all den positiven und negativen Seiten, meine Sprache, meine Kultur und die Leute von dort. Seit zwölf Jahren lebe ich aber nun in Herisau, habe hier auch eine Familie, sehr gute Freundinnen und Freunde, viele Bekannte, und ich fühle mich sehr wohl, sehr zufrieden und von allen sehr gut akzeptiert. Akzeptanz hängt meiner Meinung nach sehr stark mit Respekt zusammen, Respekt vor anderen Menschen, Kulturen und Denkweisen. Ich denke, dass die Leute hier mich respektieren und akzeptieren, weil ich versuche, ihr Land wie mein eigenes anzunehmen – nur beim Winterklima ist mir dies noch nicht gelungen.

Früchte

Zuerst die übliche Tour: Googeln in den CH-Seiten. Erster Fund ist eine Saisontabelle Früchte, die lehrt, dass Kiwis von 12-3 Hauptsaison haben. Keine Nebensaison. Der zweite Link führt zu swissfruit.ch, wo betont wird, dass Schweizer Kirsch aus 100 Prozent Schweizer Kirschen gemacht wird und eine bekannte Frau gesteht: «Schweizer Früchte. Ich weiss warum». Die dritte Homepage droht «Rund 50 verschiedene Früchte versuchen Sie zu verführen» und ich frage mich, welcher ich die grösste Chance gebe! Sicher nicht der Vierfrucht, aus der diese scheussliche Skilagerkonfi hergestellt und in Riesenbüchsen angefüllt wird. Vielleicht würde das jene Frau etwas anders sehen, die davon schwärmt, wie sie im Vierfruchtpijama am Freiburger Waffenlauf teilgenommen hat und begeistert am Ziel angekommen ist.

Ich suche in der Zeitung Früchte: Die Firma X erntet die Früchte ihrer harten Restrukturierungsmassnahmen. Wie die den Entlassenen wohl schmecken? Der Ideenaustausch unter den Besamungstechnikern erwies sich als fruchtbar. Kein Kommentar. Willkommen in der Bananenrepublik! überschreibt der Generalsekretär der SVP seinen Artikel in der «Schweizerzeit», einem Blättli, das mir ein unbekannter Peiniger regelmässig zustellt. Irgendwie stehen Früchte auch für Negatives. Nicht so die schönen Früchtchen. Das sind Kinder und Jugendliche. Nicht die eigenen.