Zwischenland

Da liegt dieses grosse Kind zwischen Büchern und Tee, nicht mehr ganz krank und noch nicht ganz gesund. Ich liege auf dem blauen Sofa, wenn ich die Hand ausstrecke, erreiche ich alle Gegenstände, die für diese Befindlichkeit vonnöten sind. Die Tage sind lang, ich bin alleine vom Morgen bis zum Abend und das ist gut so, wenn ich huste und schnupfe und wenn die Glieder schwer sind. Denn dann verliert sich mein wiederkehrendes Lamento in den Daunen, ebenso wie räuspern, röcheln und ächzen.

Doch jetzt ist es anders. Ich gesunde Tag für Tag, Stunde um Stunde. Schon fahren kleine Züge durch meinen Körper, der Kopf will dieses und jenes, macht Pläne und Projekte, nur das Fleisch noch matt, der Kreislauf leicht zu verwirren. Dieser Sonderzeit zwischen tief im Bett und aufrechtem Gang, zwi-schen krank und gesund, diesen rekonvaleszenten Momenten sind die meis-ten beraubt. Es muss heutzutage rasch gehen mit der Gesundung, kein pen-deln in den Zwischenräumen mehr, kein wohliges Brüten und schon gar nicht sich dabei noch verwöhnen lassen. Und genau das käme mir nun sehr gele-gen. In der Form von hellgelbem Kartoffelstock, Mutterqualität natürlich oder mit einer Griessuppe, aus der ich – das verspreche ich – den Schnittlauch nicht mehr angewidert auf den Tellerrand schieben würde.

Was gibt es Schöneres, als mit diesem noch leicht matten Gefühl im Körper nichts zu müssen, einfach zu warten, bis die Kräfte wiederkommen, bis die Bat-terien aufgetankt sind, bis ich dem letzten Käfer den Garaus gemacht habe und wieder Frau meiner Lage bin? Und in eben diesem Zustand besagtes Mus aus mehlig-gelben Erdenäpfeln, aus Milch, Butter, Salz und – das bitte nie ver-gessen! – frisch geriebenem Muskat essen. Wenn Zunge und Zähne keinen Widerstand spüren, wenn sich die Mundhöhle mit diesem Brei füllt, dann kann einfach nichts passieren, denn er ist warm und weich und lässt die Welt aus-sen vor.

Das grosse Kind liegt alleine da, vielleicht ein Soup-drink in einer Henkeltasse, was traurig ist und nach Aromenlabor riecht. Jetzt und in paar andern Au-genblicken eines durchschnittlich zerzausten Lebens ist da im innersten Innen ein Sehnen nach etwas, das sich in die Ritzen des Daseins legt, sie kittet und fugt, den Eiswind abhält, die Stösse dämpft, das Aufgeraute wattiert. Ich wün-sche mir Kartoffelstock oder Suppe, Relikte und Synonyme. Es mag die Erinne-rung sein an durchstandene Kinderkrankheiten, an den roten Küchenboden oder mütterliche Blumenschürzen, es mag ebenso das Verlangen sein, ein paar Augenblicke lang die Zügel schleifen zu lassen, die Seele auszulüften, nichts zu müssen, mich fallen lassen, einfach zu sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert