Nein, tut mir leid, ohne mich! Energisch packte die Frau ihr Kind am Handgelenk und zog Richtung Einkaufszentrum. Nein, da mache sie gar nicht mit, diese ganzen Frauensachen hätten sowieso keine Chance und ob ich wissen wolle, weshalb. Natürlich wollte ich und erfuhr dabei, dass es die Solidarität sei, die den Frauen fehle und deren Gleichstellung verhindere.
Und deshalb, meinte sie weiter, interessiere sie das gar nicht, nein danke, ohne mich. Aber unsere Aktion sei doch gerade … doch sie war bereits ausser Hörweite und mein Satz fiel in die Nachmittagsluft der St. Galler Innenstadt.
Die Begebenheit blieb haften, nicht das Verhalten dieser Frau, das seine Gründe haben mag, nein, die Frage, ob Frauen anderen Frauen gegenüber solidarisch sind, ob sie es sein sollten. Als gemeinsam, eng verbunden, übereinstimmend oder einig wird der Begriff erklärt. Ich lasse die Frage, woher diese ungeschriebene Forderung gewachsen ist, weil mir bereits die Begriffserklärung deutlich macht, dass meine Solidarität Mitfrauen gegenüber ihre Grenzen kennt. Nein, ich bin nicht solidarisch mit Frauen, die in unheilvoller Allianz mit Patriarchen an einem Frauenbild aus grauer Vorzeit basteln, das weder heutige Realitäten noch andere Lebenskonzepte miteinbezieht. Ich spüre keinen Hauch Verbundenheit mit jenen Frauen, die sozialer Gerechtigkeit wenig bis keine Sympathie gewähren oder jene anderen, die träge aus ihren Vorgärten blinzeln, um sich dann wieder den Canapés zu widmen. Nicht immer ganz einfach, jenen Schwestern im Geschlecht auf die Schliche zu kommen, die sich mundwärts frauenfreundlich geben, in der Tat dann gekonnt tradiertes Verhalten fortsetzen: einige wenige rahmen ab, viele suchen nach Brosamen. Gedankliche und reale Unterstützung, was vielleicht der Solidarität nahe käme, gewähre ich jenen Menschen (hier kommen auch die Männer ins Spiel), die unsere Welt als lebendiges Ganzes verstehen und in verschiedensten Bereichen daran mitarbeiten, eine langfristig lebenserhaltende Gesellschaft zu verwirklichen. Ob Frauen das als Familienfrau oder als Informatikerin tun, ist allein ihre Sache.
Und: vielleicht wäre in diesem Zusammenhang gut, sich einmal zu überlegen, wie weit so genannte Frauenthemen überhaupt Frauenthemen sind. Vielleicht hätten wir sie ja längst, die Vaterschaftsversicherung oder das dichtere Betreuungsangebot für Kinder, wenn gerade diese Themen nicht in den Frauennischen warten müssten. Möglicherweise muss Ähnliches geschehen wie in den Buchhandlungen. Es gab in jenem Umfeld eine Zeit, da waren in den Regalen Bücher (die Mehrzahl von Männern geschrieben) und irgendwo noch eine Abteilung Frauenliteratur. So als wären Frauen nicht schreibende Menschen, so als wären sie ausserirdisch und vor allem so, als seien ihre Arbeiten nicht zu messen mit denen männlicher Herkunft. Heute stehen die von Frauen geschriebenen Bücher zwischen jenen von Männern. Und so könnte es sein mit der eingangs erwähnten Solidarität. Kein Blankocheck also für das eine Geschlecht sondern gemeinsame Arbeit mit lebendig-offenen Frauen und Männern. Das hiesse dann folglich auch, Unterschiede und Abgrenzungen zu benennen, Konflikte und Konkurrenz auszuhalten, gerade auch zwischen Frauen.