An der bulgarischen Grenze, 1970: Ich werde zurückgeschickt, weil meine Haartracht – mittlerweile sehe ich aus wie ein Hippie – nicht mehr mit dem Bürstenschnitt des Pubertierenden auf dem Passfoto übereinstimmt.
An der österreichischen Grenze, 2004: Immer wieder bin ich überrascht, dass die Schweiz genau bis zur Mitte der Rheinbrücke geht und dahinter – genau an dieser Linie – ein anderes Land mit einem andern Dialekt, anderem Umgangston und anderen Uniformen – nicht beginnt, sondern schon da ist.
Ich selbst übersteige die Grenze, bewusst werdend und beinahe frohlockend, offenbar ein ganz besonderer Schritt.
Wohin soll es denn gehen?
Galilei durchsticht mit dem Fernrohr die Grenze der Erde, Faust durchschreitet die Grenze der Vernunft und Odysseus durchmisst das Meer, um – nach Hause zu gelangen.
Gibt es Grenzen als Ende? Gibt es eine Grenze als Ende meiner Wünsche, meines Selbst? Ja, sagt Horaz, das, was genug ist, das ist die Grenze, nämlich das Mass. Wie finde ich das?
Und wie kann ich die Endlinien meines Verstehens überschreiten?
Ich spüre zwischen dir und mir eine Grenze; kann ich auch sie überschreiten, bewusst frohlockend?