Archiv der Kategorie: Eines von 286

Zeitungen transportieren Neuigkeiten. Diese sind oft negativ gefärbt, berichten von schlimmen Ereignissen, von Leid, Schmerz und Gewalt. Das Wort wird Träger, Bote und Werkzeug, es verliert sich in den Fluten der Meldungen.Um die Worte aus diesen Wirklichkeiten zu schälen, um sie zu befreien und um ihnen während einer bestimmten Zeitspanne eine andere Aufmerksamkeit zu schenken, habe ich ein Jahr lang an jedem Werktag – an dem ich in Herisau war – ein Wort aus einer Titelzeile der Appenzeller Zeitung geschnitten. Ich habe das Wort gewählt, das mich als Erstes positiv angesprochen hat.Nach Ablauf dieses Jahres liegen 286 Wörter da. Ich habe diese Worte an ausgewählte und/oder unbekannte Menschen geschickt, mit der Bitte, sich Gedanken zu machen zum jeweils zufällig zugeteilten Wort. Was löst es für Assoziationen aus? An was erinnert es? Wann würden Sie es einsetzen? Die von mir ausgewählten Worte werden neu belebt, aufgeladen, sie zeigen ihre Mehrdeutigkeit und fliessen durch die anschliessende Veröffentlichung der Texte wieder zurück in die Zeitung.Meine Aktion ist ein Versuch, der täglichen Wortflut einen Akt des Verweilens gegenüberzustellen – wenn hundert Menschen jeweils etwa zwei Stunden für «ihr» Wort aufwenden, ergibt das etwa 200 Stunden «für das Wort».Ab 7. August an (fast) jedem Werktag Gedanken zu einem ausgewählten Wort! Hier. So lange der Textvorrat reicht. Lesen Sie mit?!

Frauenspuren

Von Frauen im Bundesrat wird ein 150-prozentiger Einsatz verglichen mit Männern verlangt. Wir hoffen, dass Micheline Calmy-Rey als kompetente Vorsteherin des EDA noch lange jugendlichen Schwung ins Bundeshaus bringt.

Eine enorme Spur haben Frauen gelegt, was Küchenpolitik alles bewirkte, nach einer hundertjährigen Tradition der Landsgemeinde (das Frauenstimmrecht). Vreni Schneider hinterliess eine super Schneespur im schweizerischen Wintersport.

Selbstbehauptung

Ich behaupte mich selbst, ich setze mich durch, ich nehme mich ernst. Ich bin unabhängig, ich bestimme selbst, ich lasse mir nicht dreinreden.

Wie viel Selbstbehauptung ist gesund, wo beginnt der Egoismus? Gibt es den gesunden Egoismus, wie wärs, wenn ich nur noch unter Selbstbehaupteten leben würde? Ich bin solidarisch, ich bin Teil des sozialen Gefüges, ich bin auf andere angewiesen. Ich bin von andern abhängig, ich nehme Rücksicht … Hauptsache, ich kann mich behaupten. Ich behaupte, dass … Ich lasse mich nicht enthaupten … Ich bekopfe, dass … Ich lasse mich nicht entkopfen …

Träumen

Wir alle träumen.Träumen kann niemand verbieten, träumen kostet nichts. Träume können Wegweiser im Leben sein, sie können Lösungen für Probleme aufzeigen oder zwingen uns, uns selber zu hinterfragen. Man kann auch mit offenen Augen träumen und so viele Dinge idealisieren. Traumberuf, Traumpartner, Traumhaus, eine traumhaft schöne Landschaft oder ein traumhaft gutes Essen sind nur einige Beispiele. Hingegen Albträume und traumatische Erfahrungen wünschen wir uns überhaupt nicht. Ein behutsamer Umgang mit Träumen ist wichtig. Ich hoffe für Sie und mich, dass ab und zu ein Traum in Erfüllung gehen kann und es nicht heissen muss «aus der Traum». Wir alle träumen.

Sonne

Der Briefträger begrüsst das kleine Mädchen mit dem Namen Sonnenchind, was ohne Erklärung dem Kinde ein zufriedenes Gefühl gibt. Der mürrische, alte Mann fragt: Warum hast du so ein sonniges Gemüt? Stürme und Regengüsse verdecken der Sonne die Energie für den Blick auf alles Schöne, bis die Sonnenwärme wieder die Sonnenblumen im Garten erblühen lässt. Dankend schaut sie in die sonnigen, strahlenden Augen vom Grosskind, wartend auf den Sonnenuntergang.

Das Mittelmeer

Der nachfolgende Text stammt aus dem Werk Silvae 3, 5, 78-107 (mit Auslassungen). Es sind die Worte von Papinius Statius, der mit diesen Versen seine Gattin für eine gemeinsame Rückkehr von Rom in seine Heimatstadt Neapel gewinnen wollte. Er war ein Dichter des ersten Jahrhunderts nach Christus.

«Auch meine Heimatstadt Neapel liegt dort, wo sich Fremde so zahlreich niederlassen. In diese Gegend will ich dich führen, wo die Winter so lind und kühl die Sommer sich mässigen, wo das ruhige Meer ans Land friedliche Wogen treibt. Überall stiller Friede und das Glück eines beschaulichen Lebens, nie wird die Ruhe gestört, und Schlaf erquickt die Müden. Kunst und natürliche Schönheit, die Säulenhallen und Tempel, Feste und Spiele, fast zur gleichen Zeit wie die Feiern auf dem Kapitol, jenes fröhliche und ungezwungene Leben, das auf glückliche Weise römische Würde mit dem freien Wesen der Griechen vereint. Auch die Umgebung bietet in buntem Wechsel Vergnügen. Wahrlich, entzückend ist es, die dampfenden Bäder von Baiae aufzusuchen, die lieblichen Strände und Capri, wo unsicheren Seefahrern ein Feuer, hell wie der Mond, vom Turme her leuchtet, Ischias heilende Wasser und Stabiae endlich, das neue, wiedererstanden aus Trümmern und Asche (neu aufgebaut nach dem Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 n. Chr.). Oh, ich könnte dir tausend Vorzüge meiner Heimat aufzählen, aber lass es genug sein, teure Gattin, denn sie hat auch mich erschaffen, für dich als deinen Mann fürs Leben.»

Zeitreisen

Meinen ersten Flug im Jahr 1953 möchte ich beschreiben. Die Reise zu meinem Verlobten nach Venezuela.

Am Flughafen Kloten bestieg ich ein viermotoriges Flugzeug der KLM. Nach fünf Stunden Flug erster Zwischenhalt in Lissabon. Dann, es war schon Mitternacht, Halt in Dakar, Senegal. Mir wars himmeltraurig schlecht, musste mich die ganze Zeit übergeben. Ich hielt mich aufrecht, indem ich mich an Trauerweiden hängte. Niemand kümmerte sich um mich und ich verlor den Anschluss an die übrigen Passagiere. Im Flughafengebäude sah ich eine Mann mit einer Mappe unter dem Arm, welchen ich auf Französisch ansprach. Er führte mich in ein Restaurant und wollte mir einen alkoholischen Drink anbieten. Ich hatte aber nur den einen Gedanken: frisches Wasser, welches ich dann nach langer Diskussion bekam. Plötzlich entdeckte ich einen Passagier und hängte mich an ihn bis ins Flugzeug zurück. Dann gings über den Atlantik, wo wir nach kurzer Zeit wegen einem Gewitter wieder umkehren mussten. Irgendwann erreichten wir Paramaribo in Holländisch- Guayana. Es ging dann weiter nach Caracas, wo mich mein Jakob nach vielen Stunden Verspätung – 33 Stunden dauerte der ganze Flug – in die Arme nahm. Wir mussten noch die alte Strasse nach Caracas hinauffahren, aber die Autobahn – die erste in Südamerika – war schon im Bau. Heute reist man vor allem schneller und bequemer, aber meine erste Flugreise werde ich nie vergessen!