Milch + Strasse. Zwei vertraute Begriffe. Milch – weiss – Kuh – gesund – Schweiz. Strasse – Fortbewegung – Lärm – Verkehrsnetz – Schweiz. Setze ich die beiden Begriffe zusammen, entsteht ganz anderes: Unendlichkeit, Zauber, Schönheit, Geheimnis, Diamantenfunkeln im Nachthimmel. Mein erstes Lied entstand beim Betrachten der Milchstrasse. Ich war etwa elf Jahre alt. Wie jeden Sommer fuhren wir auch in diesem Jahr nach Sur En, wo wir zusammen mit zwei verwandten Familien ein kleines Zeltdorf einrichteten. In der Mitte das Lagerfeuer. Dort sass ich jeden Abend, träumte mich ins Universum und besang die Ferne der Sterne.
Weit kam ich mit dieser Art der Dichtkunst nicht, doch die Liebe zum Zelten und die Liebe zu den Sternen blieben. Ich teile sie mit meinem Vater, der seine Fitness-kilometer auf dem Standvelo «fährt» und dazu Texte über das Weltall liest. Begeistert erzählt er von seinen Entdeckungen; gemeinsam staunen wir über das, was unser begrenzter Verstand nicht begreifen kann. Meine Mutter hat einen anderen Zugang zu den Sternen. Schon früh versuchte sie mir, zum Teil sogar erfolgreich, beizubringen, mich und meine Probleme nicht so ernst zu nehmen, wir alle seien nur winzig kleine Staubkörner im unendlichen Raum. Als Element unserer Milchstrasse bin ich nicht mal ein Staubkorn und doch bin ich – denke ich. Die Milchstrasse verbindet so den Wissensdurst des Vaters, den menschlichen Drang, den Urgrund unseres Lebens zu entdecken, mit dem philosophischen Nachdenken der Mutter über den Sinn unseres Daseins. Als Tochter meiner Eltern erlaube ich mir ein Drittes: Die kindliche Freude am Funkeln der Sterne, wie ich sie auch erlebe, wenn die Sonne die Sterne in frisch gefallenem Schnee zum Glitzern bringt, wenn Wasser im Licht zum gleissenden Teppich wird, wenn ein Regentropfen in einem Blatt oder in einem Spinnennetz die Vielfalt der Farben offenbart. Wie im Grossen so im Kleinen. Und wenn ich einen Diamanten betrachte, denke ich nicht an Kohlenstoff, sondern an einen vom Himmel gefallenen Stern.